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Martin Suter. Feiern mit der Business Class

Das glatte Parkett der feuchtfröhlichen Events ist ein weites Feld: Ob Firmenfeier, Business Lunch, Event, Weihnachtsessen, Silvestereinladung beim Chef, der heiße Flirt mit der neuen Sekretärin oder der Absacker unter Kollegen – der Manager genießt nie ganz unbeschwert. Denn die Karriere kennt keine Auszeit.

Lesen Sie hier eine Kolumne aus dem neuen Band Cheers von Martin Suter.

 

Cheers
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Cheers

Feiern mit der Business Class

Frühstücke wie ein König

Sagen wir, sieben Uhr dreißig beim Frühstück, dann können wir uns taktisch noch etwas koordinieren«, hatte Wepf gesagt, bevor er seinen G & T, please halbausgetrunken stehenließ und vom Barhocker rutschte. »Gute Nacht dann, meine Herren« und »können Sie meins auf Ihr Zimmer signen, Mäder« waren seine letzten Worte, bevor er dieses Exempel von Corporate Discipline statuierte und sie an der Hotelbar hängenließ wie fleischgewordene Karriereknicks.

Sie hatten daraufhin noch etwas bestellt, mehr aus Haltung als aus Haltlosigkeit, und eher mechanisch als engagiert noch ein wenig auf Wepf herumgehackt. »Die Holding hat ihn im Fadenkreuz.« – »Sennhäuser nennt ihn den Schönheitsschläfer.« – »Er hat einen Erni im Esszimmer.« Dann verabschiedeten sie sich einer nach dem andern. »Sieben Uhr dreißig beim Frühstück.«

Jetzt ist es sieben Uhr fünfundvierzig, und Mäder ist immer noch der Einzige im Frühstückssaal. Er hat bereits ausgecheckt und dabei vergeblich versucht, das Videotape (£ 18) von der Zimmerrechnung entfernen zu lassen. Wenigstens ist der Filmtitel nicht aufgeführt. Beim Gedanken, der Filmtitel hätte aufgeführt sein können, schüttelt es Mäder, und er führt einen Löffel seines aufgeweichten Fruchtsalats zum trockenen Mund. Kirsche? Apfel? Banane? Pfirsich?

Fruchtsalat macht einen guten Eindruck, hatte er gedacht. Lässt auf keinen Salzbedarf schließen, spricht für gemäßigten Lebenswandel. Fruchtsalat pflegen Menschen zu frühstücken, die am Morgen eines neuen Tages nicht mit den Restanzen des alten beschäftigt sind. Menschen, die ihren Körper leicht und reagibel halten wollen für die lustvoll angenommenen Herausforderungen der nächsten 24 Stunden. Menschen, deren 4 Whiskys und 3 Biere auf der Minibarrechnung ein Versehen sein müssen.

Jetzt kommt Tobler, schaut nervös im Saal herum, sieht Mäder allein, geht ans Büfett und kommt an den Tisch. Feuchte Haare, Fruchtsalat.

»Kein Wake-up Call«, behauptet Tobler.

»Bei mir stimmten die Extras nicht«, platziert Mäder vorsorglich. Dann stochern sie schweigend im Fruchtsalat.

Langsam füllt sich der Saal mit Schicksalsgenossen. Menschen, die sich normalerweise bis in den späten Nachmittag aus dem Weg gehen, beim gemeinsamen Frühstück. Bußfertig erduldete germanische Kater, geschäftsmäßig weggesteckte amerikanische Hangovers und unbefangen ausgelebte skandinavische Morgenräusche. Hierarchien, die im Dunst des letzten Abends verschwommen sind, werden frisch konturiert. Und es riecht nach Kaffee, erkaltendem Bacon, sauren Mägen und Aftershaves. Von Wepf keine Spur.

Sennhäuser kommt mit einem Tablett: Egg, scrambled, poached, fried, schrumpelige Sausages, Ham, Fruchtsalat.

»Sorry, Reisewecker«, murmelt er und greift zum Salzstreuer. Unter der Nase haben ein paar Stoppeln die Rasur heil überstanden. Dafür zählt Mäder nicht weniger als vier noch leicht blutende Gilette-G2-Doppelschnitte.

»Um sieben Uhr dreißig wollte er sich noch ein wenig taktisch koordinieren«, bemerkt Tobler kurz vor acht Uhr dreißig schadenfroh. Sennhäuser lacht auf, verschluckt sich und spuckt eine Mischung aus Tee, Ei und Speck über den Tisch.

»Skål, Hånsuli!« tönt es verräterisch vom Skandinaviertisch herüber.

In diesem Moment kommt Wepf. Federnd, gefönt, Müesli mit Orangensaft. »Das Schönste am Business in London«, strahlt er, »ist die Zeitverschiebung. Die geschenkte Stunde am Morgen.«

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Cheers. Feiern mit der Business Class ist am 26.10.2016 erschienen. Auch als ebook und als Hörbuch, gelesen von Stefan Kurt.

Hörprobe:

Martin Suter, geboren 1948 in Zürich, arbeitete bis 1991 als Werbetexter und Creative Director, bis er sich ausschließlich fürs Schreiben entschied. Seine Romane – zuletzt erschien Montecristo – und ›Business Class‹-Geschichten sowie seine ›Allmen‹-Krimiserie sind auch international große Erfolge. Martin Suter lebt mit seiner Familie in Zürich.