Was hat Sie dazu motiviert, einen Roman über Graun zu schreiben? Und wofür stehen Graun und sein Schicksal?
Marco Balzano: Für mich bedeutet Literatur, die Seiten zu erzählen, die aus den Geschichtsbüchern herausgerissenen wurden. Ich stelle mir den Schriftsteller gern als Taucher vor, der etwas Versunkenes aus der Tiefe des Wassers an die Oberfläche bringt. Im Fall Graun ging es mir nicht nur darum, eine wichtige Seite über den Faschismus und den Nationalsozialismus zu erzählen (Südtirol ist einer der ganz wenigen Orte in Europa, an dem die beiden Diktaturen direkt aufeinander gefolgt sind), es ging nicht nur um eine kaum bekannte Seite der Geschichte Italiens, sondern auch um eine Geschichte von Grenzen, um eine Geschichte, in der ein blindwütiger, sinnloser Fortschritt eine Landschaft, eine Gemeinschaft, eine Welt zerstört. Solche Geschichten geschehen täglich, gestern wie heute, in Graun und anderswo.
Das Interview führte Dagmar Kaindl. © Buchkultur