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  • »Ich möchte hinter die Kulissen schauen, möchte erfahren, wie es den Helden nach ihren grossen Auftritten geht.« – Joachim B. Schmidt im Interview

    Mit seinem neusten Roman Ósmann lockt uns Joachim B. Schmidt erneut nach Island – dieses Mal an den Skagafjord. Er öffnet den Vorhang für Jón Magnússon Ósmann, der dort vor über 100 Jahren die Menschen über den Ós geleitete: »Seine Bühne war der Fabelstrand, der Skagafjord seine Kulisse. Die Reisenden sein zahlendes Publikum. Und er spielte die Hauptrolle. Jeden Tag.«

    Im Interview berichtet der Autor von seiner ersten Begegnung mit Ósmann, gibt Einblicke in seine Recherchen zum Roman, äußert aber auch seine Bedenken: »Ich frage mich, ob ich überhaupt befugt bin, so ein isländisches, wahres Schicksal zu erzählen.«

    Im Vordergrund Ihres neuen Romans steht ein isländischer Fährmann namens Ósmann. Wie sind Sie der Figur begegnet? 

    Joachim B. Schmidt: Zum ersten Mal begegnet bin ich Ósmann während meiner Ausbildung zum Reiseführer. Wir Auszubildende erhielten einen kurzen Abriss seines Lebens, Fährmann, Jäger, Dichter, Trinker, ein Lebemann, der sich schließlich in derselben Flussmündung ertränkte, die er während 40 Jahren befahren hatte. Diese kurze Begegnung berührte mich sehr. Die Geschichte des Fährmanns ließ mich nicht mehr los. Also tauchte ich tiefer in sein Leben ein, recherchierte in den Bibliotheken und traf Nachkommen. Ich fand einiges über ihn, aber wieso der Fährmann beschlossen hatte, seinem Leben ein frühzeitiges Ende zu setzen, stand nur zwischen den Zeilen geschrieben. Dieses Buch ist also ein Versuch, den Fährmann und sein trauriges Schicksal besser zu verstehen.  

     

    Ósmanns Geschichte wird anhand eines kommentierenden Beobachters erzählt. Weshalb haben Sie sich für diese Erzählperspektive entschieden? 

    Joachim B. Schmidt: Ich will nicht verraten, was es mit dem Erzähler wirklich auf sich hat. Aber eins kann ich sagen: Er ist ein Außenseiter, einer, der dazugehören möchte, obwohl seine Anwesenheit eigentlich nicht erwünscht ist, mehr noch, er wird kaum wahrgenommen. Ich habe diese Erzählperspektive gewählt, weil sie mir sehr nahe liegt. Ich kenne das. Zum einen bin ich ein Zugezogener, ein Ausländer, der dazugehören möchte, aber nicht immer mit offenen Armen empfangen wird. Zum andern frage ich mich, ob ich überhaupt befugt bin, so ein isländisches, wahres Schicksal zu erzählen. Darum mache ich es mit Hilfe eines fast heimlichen Erzählers. 

     

    Mit Tell hatten Sie sich bereits mit einem historischen Helden beschäftigt und ihn »vom Sockel geholt«. Diverse Schicksalsschläge haben auch Ósmann zu einer tragischen Figur gemacht. Kann die Vermenschlichung solch historisch-idealisierter Figuren als einer der Leitmotive Ihres Schreibens betrachtet werden?  

    Joachim B. Schmidt: Ja, durchaus. Ich möchte hinter die Kulissen schauen, möchte erfahren, wie es den Helden nach ihren grossen Auftritten geht, was sie machen und wie sie sich fühlen, wenn der Vorhang fällt und sie allein und vulnerabel sind. Wobei, Tell und Ósmann sind nicht dieselben. Wenn ich Wilhelm Tell vom Sockel geholt haben sollte, dann mache ich es hier umgekehrt: Ich möchte Ósmann eine Bühne geben, möchte, dass man diesen Fährmann über die Fjordgrenzen hinaus kennenlernen kann. 

     

    »Ein Menschenleben für eine Kuh« schreiben Sie an einer Stelle. Es steht wohl sinnbildend für die damalige Zeit. Haben Sie bei der Recherche weiteres Überraschendes aus dem Island von vor über 100 Jahren erfahren?  

    Joachim B. Schmidt: Bei der Recherche hatte ich oft einen Kloss im Hals. Vieles ist wirklich so passiert, wie es im Buch steht, etwa, dass das Bezirkskomitee einer verarmten Familie eine Kuh gab, unter der Bedingung, dass die Familie ihr jüngstes Kind weggeben würde. Auch mit den vielen Verunglückten übertreibe ich nicht. Manchmal habe ich mich aber schlichtweg nicht getraut, etwas ins Buch zu tun, das ich erfahren habe. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass verstorbene Säuglinge und Kleinkinder manchmal zu beliebigen, frisch verstorbenen Personen in den Sarg gelegt wurden. Sie haben also keine eigene Grabstelle bekommen, lagen dafür nicht so allein im Boden. Etwas anderes, das mich auch sehr überrascht hat: Dass schon damals, also um 1900, während üblen Grippewellen regelmäßig Maßnahmen ergriffen wurden wie Versammlungsverbote, also schon vor der Spanischen Grippe. Schon damals wurden Theateraufführungen und Tanzveranstaltungen abgesagt. Wie schnell wir das vergessen haben! Darum haben wir während der Corona-Pandemie das Rad neu erfinden müssen. Das Erzählen alter Geschichten hat also auch einen praktischen Nutzen. 

     

    Ósmann war sehr religiös, glaubte gleichzeitig aber auch an Geister und Elfen. Würden Sie den Glauben an das Elfenreich als typisch isländisch bezeichnen? Nehmen Sie diesen Glauben noch immer in der gegenwärtigen isländischen Gesellschaft wahr?   

    Joachim B. Schmidt: Auf den Bauernhöfen wurde viel aus der Bibel und den Psalmenbüchern gelesen, aber auch aus den alten Saga-Manuskripten und Märchenbüchern. Erstaunlicherweise fand man auf vielen Bauernhöfen, und waren sie noch so arm, Bücher. Die Leute waren belesen, und es wurde viel aufgeschrieben. Besonders aus dem Skagafjord gibt es viele Geistergeschichten – was vielleicht damit zu tun hat, dass so viele Menschen in den Flüssen verunglückt sind. Tatsächlich gibt es auch viele Geschichten über das »verborgene Volk«, wie man die Elfen auch nennt. Ósmann soll sie sogar auf seiner Fähre über den Fluss gebracht habe – ohne eine Gebühr zu verlangen. Übrigens, ganz in der Nähe der Fährstelle wurde eine Straße so gebaut, dass sie keine Elfenhäuser kaputtmachte. Man nimmt also noch heute Rücksicht, wenn auch nur noch äußerst selten. Leider. 

    Ósmann
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    Ósmann

    Der hohe Norden Islands um die Jahrhundertwende. Dort setzt Jón Magnússon Ósmann mit seiner Seilfähre Menschen, Tiere und Waren über die Gewässer des Skagafjords. Er ist ein Fischer und Robbenjäger, er sieht Geister und Elfen, er ist ein Menschenfreund, der Bedürftige verpflegt und beherbergt, und er ist ein gottesfürchtiger Trinker und Poet. Überlebensgroß, kräftig, gesellig und dabei versehrt vom eigenen Schicksal, sodass ihn die Fluten zu locken beginnen, die er über vierzig Jahre lang befahren hat. Eine lebenspralle und beinahe unglaubliche Geschichte nach einem wahren Leben.


    Hardcover Leinen
    288 Seiten
    erschienen am 26. März 2025

    978-3-257-07330-0
    € (D) 25.00 / sFr 34.00* / € (A) 25.70
    * unverb. Preisempfehlung
    Auch erhältlich als

     

    Joachim B. Schmidt, geboren 1981, aufgewachsen im Schweizer Kanton Graubünden, ist 2007 nach Island ausgewandert. Seine Romane sind Bestseller und wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Crime Cologne Award und zuletzt mit dem Glauser-Preis. Der Doppelbürger lebt mit seiner Frau und zwei gemeinsamen Kindern in Reykjavík.

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  • ›Mit dir steht die Welt nicht still‹ von Melissa Müller – die Hintergründe zum Buch

    Bei der Recherche zu einer Klassenkameradin von Anne Frank wurde die Autorin Melissa Müller auf eine außergewöhnliche Liebesgeschichte aufmerksam – eine Verbundenheit, die zwei Menschen nach der Shoah zurück ins Leben holte. In Mit dir steht die Welt nicht still.
    Eine Liebe nach dem Holocaust
     porträtiert sie Nanette Blitz und John F. Konig, deren Zuneigung füreinander sich anfangs in einem Briefwechsel über Kontinente hinweg entfaltete. 

    Die erhaltenen Briefe und Fotos der beiden Zeitzeugen hat Melissa Müller in einem beeindruckenden Bilderdossier zum Buch gesammelt. Im folgenden Interview verrät sie unter anderem, was sie bei ihrer Recherche und dem Schreiben dieser Doppelbiografie als besonders herausfordernd empfand.

    Melissa Müller im Interview

    Wie sind Sie auf Nanette Blitz und John F. Konig und ihre berührende Liebes- und Lebensgeschichte gestoßen?

    Ich schrieb Nanette zum ersten Mal während meiner Recherchen zu einer Biografie der Anne Frank und befragte sie als Zeitzeugin. Nanette war mit Anne in einer Klasse. Nach Erscheinen meines Buchs lernte ich Nanette und John, vermittelt durch ihre älteste Tochter, persönlich kennen, über mehrere Jahre trafen wir uns immer wieder; ein Einander-Näherkommen auf Raten, geradezu zögerlich.

    Es war John, der mir schließlich die Briefe zu lesen gab, insgesamt 500 handgeschriebene Seiten, die Nanne (so wurde sie meistens genannt) und er über fast zwei Jahre ausgetauscht hatten. Sie in London, er in São Paulo. Schüchterne Annäherungen zweier Vollwaisen Anfang zwanzig – sie kannten sich, bevor John nach Brasilien auswanderte, ja erst seit sechs Wochen –, ergreifende Geständnisse, hinreißende Liebeserklärungen und an vielen Stellen auch sehr lustig. Zugleich sind die Briefe spannende Zeitdokumente – man erfährt viel über die frühen Fünfzigerjahre diesseits und jenseits des Atlantiks. Ich nahm mir, mit Zustimmung der beiden, vor, Auszüge aus diesen Briefen zum Herzen oder zum roten Faden eines Buchs über ihre Liebe zu machen.

    Wie gingen Sie bei der Recherche vor? Und was war dabei die größte Herausforderung?

    Ich habe viele Gespräche mit den beiden geführt, sowohl Einzelgespräche, denn die beiden haben sehr unterschiedliche Erfahrungen in ihre Beziehung mitgebracht, als auch – seltener – mit den beiden gemeinsam. Die persönlichen Erinnerungen, genauso die Unzuverlässigkeit der Erinnerungen, sind für das Buch sehr wichtig. Viele, auch ganz zentrale, Teile beider Familiengeschichten habe ich jedoch in Archiven recherchiert, sowohl im großteils noch ungeordneten Familienarchiv, um das sich inzwischen die Kinder von Nanne und John kümmern, als auch in historischen Archiven, unter anderem in Amsterdam, Nannes Geburtsstadt. Im Lauf meiner Recherchen verstand ich (zum Beispiel) immer besser, warum Nanne manchmal so abweisend reagierte, wenn sie von ihren Eltern, besonders von ihrem Vater erzählen sollte. Sie war zerrissen zwischen ihrer kindlichen Liebe und Bewunderung für ihn und der Versuchung, über manche seiner Entscheidungen zu urteilen. Darüber differenziert und gerecht zu erzählen war eine der großen Herausforderungen für mich, aber ich fand es wichtig, denn es war eine Last, die sie in ihre Beziehung mit John und in ihr Familienleben mitnahm.

    Die Arbeit an Biografien, wie der zu Anne Frank (Das Mädchen Anne Frank, 1998, vollständig überarbeitete Neuauflage 2013), prägt Ihr Schaffen. Wie finden Sie jeweils den richtigen Ton, diese Geschichten zu erzählen?

    In diesem besonderen Fall erzähle ich die Geschichte, oder Biografie, einer großen Liebe, also die Doppelbiografie zweier Liebender. Beide bringen einen schweren Rucksack mit Erfahrungen und Erinnerungen in die Beziehung mit. An Nanne bleibt ihr mit Vergangenheit gefüllter Rucksack wie eine Ermahnung hängen, nur ja nicht zu vergessen, was geschehen ist. Trotzdem gelingt es den beiden, einander zu vertrauen, bedingungslos Ja zueinander zu sagen, ein erfülltes Leben miteinander zu führen, sich ihre Liebe zu bewahren und sie an ihre Kinder und Kindeskinder weiterzugeben. Ohne Humor wäre ihnen das womöglich nicht gelungen. Beide konnten über sich selbst lachen, John noch besser als Nanette. Dieser Humor sollte im Buch mitschwingen oder wenigstens immer wieder anklingen.

    Im Rahmen Ihrer Recherche zu Mit dir steht die Welt nicht still haben Sie auch mit den Kindern von Nanette und John und deren Nachkommen gesprochen – was hat Sie daran besonders beeindruckt?

    Als »A World of Their Own« sprachen die Kinder untereinander über die Liebe ihrer Eltern und assoziierten sie, augenzwinkernd, mit einer Soap Opera. Ich sah von außen über Jahre eine kosmopolitische Vorzeigefamilie, die in einer vermeintlich heilen Welt lebte, sich jedoch in Unausgesprochenem zu verlieren drohte.

    Tatsächlich kämpften die drei Kinder, jedes auf seine Weise, um die Anerkennung und Liebe ihrer traumatisierten Mutter und lernten erst, als sie selbst Eltern wurden, in schmerzhaften Auseinandersetzungen, Verletzungen beim Namen zu nennen und offen aufeinander zuzugehen – nur um festzustellen, wie groß die Liebe tatsächlich ist, die die Generationen miteinander verbindet.

    In Mit dir steht die Welt nicht still verweben Sie auf faszinierende Weise den Briefwechsel zwischen Nanne und John mit erzählenden, biografischen Passagen. Wie haben Sie die einzigartige Struktur und Sprache für Ihre Erzählteile gefunden?

    Die Briefe, die ausschließlich für den jeweils anderen bestimmt waren, berühren in ihrer Unverstelltheit und Unmittelbarkeit. Nanette und John haben beim Schreiben keinen Moment daran gedacht, dass sie jemals veröffentlicht werden könnten. Beim Übersetzen der Briefe ging es mir vor allem auch darum, der Zeit, in der sie geschrieben wurden, und ihren Tonlagen treu zu bleiben.

    Beim Strukturieren der biografischen Passagen hatte ich Nanettes Bemerkung im Kopf, dass ihr Gedächtnis nicht linear arbeite, ihre Erinnerungen nicht chronologisch verliefen, sondern in Flashbacks kämen, manchmal mit schönen Bildern, die sich aber nur mit Mühe zu einem Ganzen zusammensetzen ließen, oft wie Heimsuchungen, mit denen sie zu kämpfen habe und fertigwerden müsse. Die Leser und Leserinnen sollen ihre Zerrissenheit und ihren inneren Kampf um ihr Glück nachfühlen können. John machte es ihnen (und mir) leichter: Er war ein zwar leiser, aber begnadeter Anekdotenerzähler und wusste, wie man Pointen setzt.

     

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    Mit dir steht die Welt nicht still

    Eine Liebe nach dem Holocaust
    Mit einem Bildteil

    London, 1951. Für Nanette ist es eine Zufallsbegegnung, für John ist es Liebe auf den ersten Blick. Doch John steht kurz vor seiner Auswanderung nach Brasilien. Ginge es nach ihm, würde er seinen Plan ändern, aber Nanette, die mit Anne Frank befreundet war und als Einzige ihrer Familie Bergen-Belsen überlebt hat, fürchtet sich vor dem Glück. Als sie einander Brief um Brief schreiben, gesteht sie sich langsam ein, dass sie mit ihm zurück ins Leben finden kann. Ein Buch über die rettende Kraft der Liebe.


    Hardcover Leinen
    336 Seiten
    erschienen am 23. April 2025

    978-3-257-07291-4
    € (D) 25.00 / sFr 34.00* / € (A) 25.70
    * unverb. Preisempfehlung
    Auch erhältlich als

     

    Melissa Müller, geboren in Wien, ist Autorin und Drehbuchautorin. Ihre Biografie ›Das Mädchen Anne Frank‹ wurde in 25 Sprachen übersetzt und die Verfilmung mit mehreren Emmys ausgezeichnet. ›Bis zur letzten Stunde. Hitlers Sekretärin erzählt ihr Leben‹ in Zusammenarbeit mit Traudl Junge stand mehr als ein Jahr auf der Spiegel-Bestsellerliste und diente als Vorlage für den Oscar-nominierten Film ›Der Untergang‹. Im Diogenes Verlag veröffentlichte sie 2023 gemeinsam mit Monika Czernin ›Picassos Friseur. Die Geschichte einer Freundschaft‹.

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  • Rabea Weihser über ihr erzählerisches Sachbuch ›Wie wir so schön wurden‹ – Ein Interview

    »Ein Gesicht spiegelt ja nicht nur das Innere einer Person, an seiner Oberfläche brechen sich auch gesellschaftliche Sehnsüchte, Zwänge und Ideologien«, weiß Rabea Weihser, die Autorin von Wie wir so schön wurden. Im gewitzten, anregenden und bereichernden Sachbuch setzt sie sich mit aktuellen Kosmetikphänomenen auseinander und erkundet die Spielarten unseres Schönheitstriebs.

     

    Foto: Fabian Raabe / © Diogenes Verlag

    Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine ›Biografie des Gesichts‹ zu schreiben? Was hat Sie an dem Thema fasziniert?

    Ich hatte schon immer eine große Neugier dafür, was Menschen schön finden und warum. Und wenn man heute ins Internet oder auf die Straße guckt, wundert man sich doch häufig, wie die Leute ihre Gesichter gestalten, ob mit Schminke, Spritzen oder OPs. Zudem scheinen junge Menschen unter einem noch stärkeren Schönheitsdruck zu leiden als vorige Generationen. Ein Gesicht spiegelt ja nicht nur das Innere einer Person, an seiner Oberfläche brechen sich auch gesellschaftliche Sehnsüchte, Zwänge und Ideologien. Ich fand es unglaublich reizvoll, diesen Komplex zu erkunden. Ich wollte verstehen, welchen Anteil an unserem ästhetischen Empfinden unsere sehr behäbige Biologie hat und was wir der flüchtigen Kultur zuschreiben können. Als Biografie verstehe ich diese Erzählung, weil sie so etwas wie eine Jahrtausende dauernde Coming-of-Age-Geschichte des attraktiven Gesichts ist: Wie kam es zu dem, was wir heute sehen?

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  • ›Warren Buffett und Bill Gates‹ - Anthony McCarten im Interview

    Der eine Investor, der andere Tech-Unternehmer - beide superreich! In Warren Buffett und Bill Gates schreibt Anthony McCarten über zwei Männer, deren Vermögen ins Unvorstellbare reicht. Das Buch dreht sich um ihre Freundschaft, die vielleicht einflussreichste der Welt, und die Verantwortung, die damit einhergeht. Im Interview verrät der Autor, wie er über dieses Ausmaß an Reichtum denkt und welche Rollen die Ehefrauen von Warren Buffett und Bill Gates spielen. 

    Foto: © Privat
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  • Christian Schünemann über die Hintergründe seines Romans ›Bis die Sonne scheint‹ – Ein Interview

    Christian Schünemanns Roman Bis die Sonne scheint ist eine Familiengeschichte wie eine Achterbahnfahrt, geschrieben in leichtfüßigem, lakonischem Ton. Es ist die Geschichte der Familie Hormann, die ein großes Talent hat: Ruhe bewahren, auch wenn alles um sie zusammenbricht. Erzählt wird sie aus der Sicht des Sohns der Familie, Daniel. Zugleich lesen wir ein fesselndes Zeitpanorama vom Kriegsende bis zu den Achtzigern. Und nicht zuletzt: Es ist die Familiengeschichte des Autors.

    Foto: Fabian Raabe / © Diogenes Verlag
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  • Stefanie vor Schulte über die Hintergründe ihres Romans ›Das dünne Pferd‹ – Ein Interview

    Stefanie vor Schultes Roman Das dünne Pferd ist ein lebenspraller und draufgängerischer Roman, der vor dem Hintergrund des Weltuntergangs von Mut und Unbeugsamkeit erzählt. Im Interview spricht die Autorin darüber, wie es zur surrealen Mischung zwischen Dystopie und Western kam und erläutert, welche Rolle Feminismus und die Emanzipation von Frauen in ihrer Geschichte spielt.

    Foto: Gene Glover /© Diogenes Verlag
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  • 100 Jahre ›Zauberberg‹ – Norman Ohler spricht über die Inspirationskraft des Klassikers von Thomas Mann

    Vor hundert Jahren wurde einer der prägendsten Klassiker der deutschsprachigen Literatur veröffentlicht: Thomas Manns Der Zauberberg. In dem erzählenden Sachbuch Der Zauberberg, die ganze Geschichte nimmt Autor Norman Ohler uns jetzt mit auf eine Reise von den Anfängen von Davos hin zum World Economic Forum. Das Buch ist ein großes aktuelles Panorama der Geschichte des 20. Jahrhunderts und eine Hommage an das Schriftstellertum. 

    Im Interview spricht Norman Ohler über die Inspirationskraft des Klassikers von Thomas Mann, des Ortes Davos und über die Entstehung seines neuen Sachbuches.

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  • Jacqueline O'Mahony im Interview: Über weiblichen Mut, Irland und die Große Hungersnot

    Jacqueline O'Mahonys Roman Sing, wilder Vogel, sing  spielt in Irland im Jahr 1849, zur Zeit der Großen Hungersnot. Aus der Perspektive der weiblichen Hauptfigur Honora schildert die Autorin eindrücklich die kargen und bedrängenden Lebensumstände der jungen Frau, die mit der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Amerika aufbricht.

    Im Interview spricht Jacqueline O'Mahony über die historischen Hintergründe ihres Romans und darüber, warum ihr besonders die Erzählung aus weiblicher Perspektive wichtig war.

    Foto: © Nick Gregan
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  • »In meinen Augen sind wir alle große Kinder, die gut oder weniger gut erwachsen spielen.« – Ein Interview mit Lea Catrina

    Die Schweizer Schriftstellerin und Lyrikerin Lea Catrina entführt uns mit My Boy in zwei Welten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Roman spielt abwechselnd in der Schweiz und in den Vereinigten Staaten und erzählt die Geschichte einer allumfassenden Freundschaft. Im Interview beantwortet die Bündner Autorin, was sie zu dieser Geschichte inspiriert hat und welchen Bezug sie zu den beiden Ländern hat.

    Foto: © Oceana Galmarini

    My Boy erzählt die Geschichte einer alles einnehmenden, überrumpelnden Freundschaft. Was hat Sie zu dieser Geschichte inspiriert?
    Das Thema Freundschaft hatte mich schon eine Weile beschäftigt bevor ich angefangen habe, My Boy zu schreiben. So richtig dringlich wurde das aber, nachdem ich in die USA gezogen war. Auf Distanz sieht man manche Dinge klarer und ich habe meine Freunde sehr vermisst, habe gespürt wie sehr sie mein Leben geprägt haben.

    Wenn Rona und Charlie aufeinandertreffen, gerät alles aus dem Gleichgewicht. Ein Wanken zwischen Aufregung und Kontrollverlust. Wie war es für Sie, sich in eine solche Beziehung hineinzuversetzen?
    Es war sehr spannend für mich, die Dynamik zwischen den beiden zu verfolgen. Ich habe es aber nie als Kontrollverlust empfunden, sondern hatte dauernd das Gefühl, dass die beiden einander brauchen, genau so wie sie sind, selbst wenn Außenstehende das nicht verstehen.

    Welche Rolle spielen Eiskunstlauf und Modewelt in Ihrem Roman?
    Beide Welten sind zentrale Schauplätze des Romans. Der Eiskunstlauf war einerseits eine Zuflucht für die beiden, hat sie vieles gelehrt, aber er hat sie auch so manches gekostet. Die Modewelt ist Charlies Welt, in die Rona mit seiner Hilfe auch ein wenig eintaucht. Und dann gibt es ja noch die Tech-Welt, das Silicon Valley, Ronas Welt, wo wiederum eher Charlie Gast ist. Aber der Eiskunstlauft ist ihre gemeinsame Welt, in die sie gerne zurückkehren.

    Durch Rückblenden in die Kindheitserinnerungen der Hauptfigur Rona lernen wir die Figuren in Ihrem Roman erst richtig kennen. Von welcher Figur sind Sie beim Schreiben ausgegangen? Von der erwachsenen oder der kindlichen Rona?
    Das ist eine interessante Frage. Ich denke, ich gehe bei all meinen Figuren immer vom kindlichen Ich aus, denn in meinen Augen sind wir alle große Kinder, die gut oder weniger gut erwachsen spielen.

    Die Geschichte spielt abwechselnd in den Vereinigten Staaten und in der Schweiz. Warum gerade in diesen beiden Ländern? Haben Sie einen besonderen Bezug zu ihnen?
    Ich habe zwei Jahre in den USA gelebt und war auch davor immer wieder für längere Zeit dort. Speziell das Silicon Valley hat mich von Anfang an fasziniert. Es ist ein seltsamer Ort, voller Widersprüche. Das gleiche könnte man über die Schweiz sagen. Immer wieder wurde mir in Amerika die Frage gestellt: »Du bist aus der Schweiz? Was machst du dann hier?« Und ich habe gemerkt, wie weit weg und nahe beieinander die beiden Orte sind. Wie sich die beiden Kulturen gegenüberstehen und einander missverstehen. Das hat mich dazu inspiriert, das genauer zu betrachten. Es sind zwei Extreme, genau wie Rona und Charlie.


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    My Boy

    In ihrer Kindheit in einem Schweizer Bergdorf vereinte sie, nirgends dazuzugehören, nun aber scheinen sie Anschluss gefunden zu haben: Charlie in der Modewelt, Rona im Silicon Valley. Als die beiden wieder zusammenfinden, erstehen neben schönen Erinnerungen an ihre Zeit in der Eiskunstlaufhalle auch die Gespenster der Vergangenheit wieder auf. Während intensiver Nächte, zerstörerischer Gespräche und alberner Abenteuer versucht Rona, ihre Freundschaft zu Charlie, aber auch sich selbst vor seinem manchmal allzu hellen Strahlen zu retten.

    Taschenbuch
    256 Seiten
    erschienen am 25. September 2024

    978-3-257-24750-3
    € (D) 14.00 / sFr 19.00* / € (A) 14.40
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    Lea Catrina ist eine Schweizer Schriftstellerin und Lyrikerin. 2021 erschien ihr Romandebüt Die Schnelligkeit der Dämmerung sowie Öpadia – a Novella us Graubünda im Arisverlag. 2023 folgte dann der Roman My Boy und 2024 erscheint Waldbad, für den sie mit einem literarischen Werkbeitrag des Kantons Graubünden ausgezeichnet wurde. Lea Catrina lebt mit ihrer Familie in Flims, Graubünden, wo sie geboren und aufgewachsen ist.

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