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  • ›Heute kein Abschied‹ – Daan Heerma van Voss' Gedanken zum Buch

    Wer war er wirklich, der Mann, den Tessel, Cat und Moor ihren Vater nannten? Nach seinem plötzlichen Tod beschäftigen Erinnerungen und ausbleibende Chancen auf Versöhnung die drei Geschwister – aber auch Geheimnisse, die auf einmal ans Licht kommen. 

    Was uns blüht, wenn wichtige Gespräche allzu lange vermieden werden, hat Daan Heerma van Voss in seinem neuen Familien- und Gesellschaftsroman Heute kein Abschied verbildlicht. Wir haben im folgenden Interview nachgefragt, woher sein Interesse an generationsübergreifenden Themen kommt und was ihm das Schreiben bedeutet.

    © Eva Roefs

    »Literatur kann Worte für die schwerwiegenden, stummen Ereignisse in unserem Leben finden. Und indem wir Worte dafür finden, holen wir uns selbst in die Welt zurück.«

    Daan Heerma van Voss im Interview

    Am Anfang des Buches steht der Tod von Oskar. Das wird zum Dreh- und Angelpunkt der Handlung von Heute kein Abschied. Wie war es, so eine besondere Eingangsszene zu schreiben?

    Das Einzige, was ich wusste, als ich mit dem Schreiben des Buches begann, war, dass es mit dem Ende beginnen musste: einem Todesfall in der Familie. Ich wollte diese langen letzten Momente einfangen. Niemand weiß wirklich, was für Gedanken da in einem vorgehen, wie sich das anfühlt. Alles, was wir haben, sind Klischees – wie etwa, dass sich das eigene Leben im Schnelldurchlauf vor dem inneren Auge abspielt. Ich wollte über diesen Punkt hinausgehen, die Leser:innen mitnehmen, sodass sie den verstorbenen Familienvater besser kennenlernen als jede:r andere. Die Leser:innen waren bei ihm während dieser intimen, verlorenen, letzten Augenblicke, die sonst mit niemandem geteilt werden können.

    Seine Tochter, die Schriftstellerin ist, dachte, durch das Lesen vieler Romane über Trauer und Tod auf diesen Verlust vorbereitet zu sein, und erlebt ihre Trauer dennoch mit voller Wucht. Kann uns Literatur Ihrer Meinung nach doch auch ein Stück weit darauf vorbereiten, gar auf das Leben überhaupt?

    Literatur kann uns nicht vorbereiten, nein. Sie kann uns aber im Nachhinein verstehen lassen. Literatur kann Worte für die schwerwiegenden, stummen Ereignisse in unserem Leben finden. Und indem wir Worte für diese Erlebnisse finden, holen wir uns selbst in die Welt zurück.

    Neben Oskars Geschichte und der seiner Frau erzählen Sie die Geschichte seiner drei Kinder Tessel, Moor und Cas. Auf den ersten Blick haben sie vermeintlich die gleiche Kindheit, die gleichen äußeren Umstände, das gleiche Elternhaus. Doch unterscheiden sich die Kindheitserlebnisse, das Verhältnis zu den Eltern und ihre Rollen innerhalb der Familie stark voneinander. Was hat Sie an dieser Thematik besonders interessiert?

    Diese Faszination kommt aus meinem eigenen Leben. Für meinen jüngeren Bruder war mein Vater ein ganz anderer als für mich. Wenn ein Mensch stirbt, denken wir, dass nur die eine Person stirbt. Doch dem ist nicht so – eigentlich sterben damit Hunderte Personen auf einmal.

    Mit Ihrem Lektor spricht Tessel darüber, dass der allwissende Erzähler zum Ausdruck bringt, dass jedes Leben etwas Episches und Großes in sich birgt, und darüber hinaus deutlich macht, wie wenig wir voneinander wissen. Heute kein Abschied ist aus Sicht eines allwissenden Erzählers geschrieben. Was wollten Sie damit zum Ausdruck bringen?

    Genau das! In diesem war Moment war Tessels Perspektive Ersatz für meine.

    Oskar findet erst spät in seinem Leben zum Schreiben und kann sich nur so seinen Kindern gegenüber öffnen. Das macht deutlich, wie schwer es sein kann, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Sollten wir immer versuchen, diese Auseinandersetzung zu suchen, und was bedeutet Ihnen das Schreiben?

    Ich denke, dass es unsere Pflicht ist, uns selbst gegenüber vollkommen ehrlich zu sein, und zwar schonungslos. Für mich liegt in der Ehrlichkeit immer Schönheit. Schönheit ist eine Form der Ehrlichkeit, könnte man sagen. Das Schreiben kann ein Weg sein, das zu erreichen, etwas zu enthüllen. Es kann aber auch genau das Gegenteil bewirken, nämlich etwas vernebeln. Für mich ist es das Erstere. Auf der geschriebenen Seite bin ich vollkommen ehrlich, transparent, wahrhaftig. Es gibt keine Höflichkeit, wenn ich schreibe, keine Gefälligkeit.

    Generationsübergreifende Themen fallen bei der Lektüre besonders auf – Traumata, Beziehungsmuster und Erwartungen. Warum war es Ihnen so wichtig, diese Themen literarisch zu verarbeiten?

    Ich glaube, dass die Literatur das beste, vielleicht sogar das einzige Medium ist, in dem wir das Leben mehrerer Menschen gleichzeitig erleben, wirklich in ihre Haut schlüpfen können. Jedes Leben ist ein Mosaik. Fügt man diese Mosaike zusammen, ergeben sie ein noch größeres Mosaik. Das ist das Schöne daran. Literatur kann uns einen Einblick in diese Kohärenz geben, in eine Verbindung zwischen Menschen, die wir normalerweise nicht spüren oder sehen oder an die wir nicht zu glauben wagen.

    Der Roman lässt sich unter anderem als Plädoyer für ernst gemeinte Fragen, Interesse an unseren Mitmenschen sowie Mut zu wahrhaftigen Antworten lesen. Sind Ihnen diese Aspekte im Austausch mit anderen besonders wichtig?

    Mir sind sie sehr wichtig, ja. Ich kann nicht gut mit Menschen umgehen, die sich verstecken, die manipulieren, die Spielchen spielen. Feigheit kann ich nicht ausstehen. Ich finde Freunde, aber verliere sie auch.

    Tessel fragt sich, warum sie ihrem Vater nie die Frage »Warum?« gestellt hätten. Deshalb die Frage an Sie: Warum haben Sie diesen Roman geschrieben?

    Weil ich glauben möchte, dass es immer eine Verbindung zwischen uns gibt, auch wenn wir nicht miteinander reden, wenn uns die Worte fehlen, wenn wir uns unverstanden fühlen.

     

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    Heute kein Abschied

    Aus dem Niederländischen von Gregor Seferens

    Der plötzliche Tod von Oskar stellt das Leben seiner drei Kinder auf den Kopf. Eigentlich müssen sie sich von ihrem Vater verabschieden, doch allmählich stellen sie fest, dass sie ihm vielleicht zum ersten Mal begegnen. Ein großer Familienroman über das Abschiednehmen und das Willkommenheißen, über eine zersplitterte Familie, die vor weitreichenden Entscheidungen steht, die viel zu lange aufgeschoben wurden.


    Hardcover Leinen
    496 Seiten
    erschienen am 21. Mai 2025

    978-3-257-07325-6
    € (D) 26.00 / sFr 35.00* / € (A) 26.80
    * unverb. Preisempfehlung
    Auch erhältlich als

     

    Daan Heerma van Voss, geboren 1986 in Amsterdam, ist Autor, Journalist und Historiker. Er schreibt regelmäßig für De Volkskrant und hat eine wöchentliche Kolumne in NRC. Seine journalistischen Texte wurden mit dem renommierten De-Tegel-Preis ausgezeichnet und seine Romane in zahlreiche Sprachen übersetzt. Bei Diogenes erschien 2023 sein Sachbuch Die Sache mit der Angst.

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  • Abschalten und loslesen

    Im Sommer wünschen wir uns doch alle nichts mehr als ein paar freie Tage zum Entspannen. Urlaub am Meer mit einer salzigen Brise um die Nase und Wellenrauschen. Oder Ferien in den Bergen mit wunderbarem Ausblick. Für alle, die nicht verreisen: An einem Tag im Park oder am See mit einem leckeren Picknick und einem guten Buch kann auch Urlaubsstimmung aufkommen. Manchmal hilft schon ein Nachmittag auf dem Balkon mit einem Stück Wassermelone in der Hand.

    Damit die passende Sommerlektüre gesichert ist – egal, ob ihr sie am Strand lest oder euch nur im Geiste in die Ferne begebt –, haben wir euch eine Auswahl unserer liebsten Feriengeschichten zusammengestellt. Mit von der Partie sind natürlich die zwei neuen Anthologien: In Ferien am Meer könnt ihr unter anderem gemeinsam mit Elena Fischer und Doris Dörrie ans Wasser reisen, während euch die Erzählungen von Sebastian Stuertz, Benedict Wells und vielen mehr eure Staycation in Ferien zu Hause versüßen.

     

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  • Acht Ferienbücher für Kinder

    Bald sind sie da – die Sommerferien. Milchzähne fallen raus, Gliedmaßen wachsen, Herzen werden gebrochen, es gibt Eis zum Frühstück, helle Strähnen, Sand zwischen den Zehen und jede Menge Abenteuer hinter dem Haus, bei Oma und im Urlaub. Und danach ist nichts, wie es war. Hier kommen ein paar unserer liebsten Kinderbücher, für Freibad, Strand und Zeltplatz, zum Vorlesen und Selbstlesen.

    Foto: Blake Meyer / Unsplash

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  • ›Der Diamantenmann‹ – eine Leseprobe aus Donna Leons neuem Erzählband ›Backstage‹

    Wer wollte nicht auch schon immer mal hinter die Kulisse von Donna Leons Schreiben blicken?
    Mit ihrem neuen Buch Backstage lädt uns die Bestsellerautorin in ihre Gedankenwelt ein, führt uns zu den Menschen, die sie und ihre Figuren inspirierten, und zu jenen, die ihr bei der Recherche geholfen haben. Ein ganz persönliches Näherkommen mit der Bestsellerautorin.

    Foto: © Regine Mosimann / Diogenes Verlag

    »Die Charaktere aus der Feder guter Autoren sind wie echte Menschen, nur echter«, sagt Donna Leon. Darum wohl ist ihr Leben auch so reich an Figuren, echten und erfundenen. In Backstage tritt eine bunte Truppe auf, darunter auch Venedigs bekanntester Diamantenhändler.
        Eine Leseprobe davon, wie Donna Leon ihre Begegnungen zu funkelnden Geschichten gestaltet.

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  • ›Das Teufelshorn‹ - Fünf Fragen an die Autorin Anna Nicholas

    Urlaubsstimmung, idyllische Dörfer, mediterranes Flair – dafür ist Mallorca bekannt. Anna Nicholas ruft in Das Teufelshorn genau diese Atmosphäre hervor, wirft aber gleichzeitig einen Schatten über die beliebte Sonneninsel. Das Ferienparadies wird zum Tatort. 

    Das Teufelshorn ist der Auftakt einer neuen Mallorca-Krimiserie, der erste Fall für die clevere, selbstbewusste Ermittlerin Isabel Flores. Im Interview erzählt die Autorin, welchen Bezug sie zur Insel hat und warum ein Frettchen die perfekte Begleitung für eine Ermittlerin ist.

    © Nicoletta Gavar
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  • Doris Dörrie feiert ihren 70. Geburtstag – wir gratulieren ihr sehr herzlich

    »Sie kann schreiben, sie kann Filme machen, sie kann zeichnen, sie kann auftreten, und ist unterhaltsam und lustig. Wenn es Doris Dörrie nicht gäbe, ginge es in Deutschland vielleicht noch etwas ernster zu.« – Philipp Keel

    Foto: © Mathias Bothor / laif

    Am 26. Mai feiert Doris Dörrie ihren 70. Geburtstag – wir gratulieren ihr sehr herzlich. Geboren in Hannover, studierte sie Theater und Schauspiel in Stockton, Kalifornien, und in New York, wo sie nebenbei am Goethe-Institut als Filmvorführerin jobbte.
          Sie entschloss sich, nicht vor, sondern hinter der Kamera zu stehen. Der erste Walzer, ihre Abschlussarbeit an der Münchner Hochschule für Film, wurde an Festivals und im Fernsehen gezeigt, Männer, ihr dritter Kinofilm, in der ganzen Welt. Dabei wäre der Film, der sogar in den USA ein Hit war, beinahe nicht in die Kinos gekommen, weil er für die Verleiher ›zu klein‹ war.
          Parallel zu ihrer Filmarbeit hat sie zahlreiche Bestseller geschrieben, darunter Das blaue Kleid, Was machen wir jetzt?, Leben, schreiben, atmen oder Die Heldin reist. 2024 erschien der Dokumentarfilm Doris Dörrie – Die Flaneuse zu Leben und Werk von Doris Dörrie (Regie: Sabine Lidl). Anlässlich ihres Geburtstag wird der Dokumentarfilm in der Nacht von Freitag auf Samstag, 31.05.2025 von 00:00 Uhr bis 01:00 Uhr auf NDR ausgestrahlt.

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  • ›Dein Herz, ein wildes Tier‹ – eine exklusive Leseprobe aus Jardine Libaires neuem Roman

    Zwei Frauen. Zwei Männer. Eine Raubkatze. Und das größte Abenteuer ihres Lebens. Nach ›Uns gehört die Nacht‹ hat Jardine Libaire eine neue, aufregende Liebesgeschichte geschrieben, eine faszinierende Road Novel in Oklahoma und Texas.

    Foto von Andrea Brambila auf Unsplash

    Vier Außenseiter auf der Flucht: Staci, Ray, Ernie und Coral hauen mit geklautem Drogengeld ab nach Texas, wo sie in einem abgelegenen Haus etwas finden, das sie nie zu träumen gewagt hätten: Zugehörigkeit, Vertrauen und Liebe. Und je länger sie in dieser vom Schicksal zusammengewürfelten Gemeinschaft leben, desto mehr wächst jede und jeder über sich hinaus. Doch die Tage ihres zerbrechlichen Glücks sind schon lange gezählt. Eine exklusive Leseprobe.

     

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    Tags Roman USA
  • »Ich möchte hinter die Kulissen schauen, möchte erfahren, wie es den Helden nach ihren grossen Auftritten geht.« – Joachim B. Schmidt im Interview

    Mit seinem neusten Roman Ósmann lockt uns Joachim B. Schmidt erneut nach Island – dieses Mal an den Skagafjord. Er öffnet den Vorhang für Jón Magnússon Ósmann, der dort vor über 100 Jahren die Menschen über den Ós geleitete: »Seine Bühne war der Fabelstrand, der Skagafjord seine Kulisse. Die Reisenden sein zahlendes Publikum. Und er spielte die Hauptrolle. Jeden Tag.«

    Im Interview berichtet der Autor von seiner ersten Begegnung mit Ósmann, gibt Einblicke in seine Recherchen zum Roman, äußert aber auch seine Bedenken: »Ich frage mich, ob ich überhaupt befugt bin, so ein isländisches, wahres Schicksal zu erzählen.«

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  • Bücher gegen das Vergessen

    Heute vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg, und Europa wurde vom menschenverachtenden NS-Regime befreit. Wir erinnern uns an die Verbrechen und daran, wie viel es gebraucht hat, ihnen ein Ende zu setzen. Wir denken auch an die Friedensordnung, die von diesem Datum ausging.

    Einige unserer Autorinnen und Autoren geben den Menschen aus dieser Zeit eine Stimme und erzählen ihre Geschichten in Büchern, die gegen das Vergessen helfen.

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