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Interview: Paulo Coelho über »Untreue«

Paulo Coelho hat mit Untreue einen bewegenden Roman über Liebe, Ehekrisen und Leidenschaft geschrieben. Bevor das Buch nächste Woche erscheint (am 24.9.), hat der brasilianische Bestsellerautor uns einige Fragen beantwortet.

Foto: © Christian Alminana

Warum haben Sie den Ehebruch zum Thema Ihres neuen Romans gemacht?

Paulo Coelho: Ich bin über die sozialen Netzwerke in ständigem Kontakt mit meinen Lesern und bin dabei immer wieder auf Kommentare zu Depressionen gestoßen. Anfangs wollte ich einfach etwas zu diesem Thema posten und bat die User anonym darum, mir mehr über ihre Probleme zu erzählen. Zu meiner Überraschung sprachen sie dann weniger über ihre Depressionen als über das Betrogenwerden. Daraus wurde, ohne dass ich es merkte, der Keim zu meinem neuen Buch.

Wie sind Sie tiefer in das Thema eingestiegen?

Paulo Coelho: Wenn ich die Foren besuchte, in denen es um Ehebruch ging, identifizierte ich mich nicht als Schriftsteller, sondern mal als Frau, dann wieder als Mann, als jemand, der betrügt oder jemand, der betrogen wurde. Ich konnte dort sehen, dass Ehebruch für die Menschen etwas sehr Kompliziertes war. Die meisten Betrogenen reagierten sehr verletzt und trennten sich am Ende von ihren untreuen Partnern. Was nicht heißt, dass sie es später nicht bereuten. Ich begriff, dass viele dieser Seitensprünge mit Ehekrisen zusammenhingen, und entwickelte dann, von der interessantesten ausgehend, die Handlung von Untreue. Als ich das Buch dann niederzuschreiben begann, war es in meinem Kopf bereits fertig.

Wie war es, in der ersten Person zu schreiben, sich in eine weibliche Figur hineinzuversetzen?

Pahlo Coelho: Das habe ich schon mehrfach getan. Ich habe Elf Minuten in der ersten Person, aus der Sicht einer Prostituierten, geschrieben und Am Ufer des Rio Piedra saß ich und weinte aus der Sicht einer jungen Frau auf der Suche nach ihrer Jugendliebe. Ich gehe dermaßen in meinen Figuren auf, dass ich beim Schreiben kaum noch zwischen ihnen und mir selbst unterscheiden kann.

Die Hauptfigur stellt Vieles in Frage und durchläuft einige Prozesse, um sich nach und nach davon zu befreien. Kann Betrug, kann ein Seitensprung letztlich zum Glück führen?

Paulo Coelho: Zunächst muss man sich darüber verständigen, was Betrug in einer Beziehung überhaupt bedeutet. Mein Weg zum Glück ist er definitiv nicht. Der Weg zum Glück besteht meiner Ansicht nach darin, zu begreifen, dass die Ehe nichts Statisches ist, sondern dynamisch, in ständiger Veränderung begriffen. Man kann zehn Jahre mit einer Frau zusammensein und finden, dass sie noch immer die Frau ist, die man einmal geheiratet hat. Aber das ist sie nicht. Diese Frau hat sich verändert, so wie man sich selbst auch verändert hat. Der Weg zum Glück liegt in Wahrheit darin, Kompromisse zu schließen.

Was ist das Zerstörerische in der Beziehung zwischen zwei Menschen?

Paulo Coelho: Das Zerstörerische ist der Versuch, diese Beziehung zu „vampirisieren“, die Überzeugung, sie unverändert beibehalten zu können.

Wenn du mit jemandem zusammen bist, dann aus Liebe, niemand darf dir da hineinreden. Weder die Gesellschaft, noch die eigenen Kinder.

Wenn du unbedingt mit einer bestimmten Person zusammensein willst, dann deshalb, weil das Zusammensein mit ihr dich glücklich macht, dir zu größerer Lebensfreude verhilft. Es kommt darauf an, eine Beziehung als eine große Herausforderung zu sehen.

Ist Liebe imstande, alles zu verzeihen?

Paulo Coelho: Ja, und das beste Beispiel dafür ist Jesus Christus: Die Vergebung rettet ihn. Und es ist wichtig, zu begreifen, was Vergebung ist. Ich glaube, wir alle haben das schon erlebt. In einer guten Beziehung kann die Liebe alles verzeihen. Ich sage nicht, alles hinnehmen, aber verzeihen – das schon. Und ich sage auch nicht, dass dies ohne Konflikte geht. Konflikte sind normal und sogar ratsam. Anders als man vielleicht annimmt, halten sie eine Beziehung am Leben. Ich bin seit 34 Jahren mit der gleichen Frau verheiratet, und bis heute stehen wir in einem ständigen Dialog. Selbstverständlich haben auch wir unsere schwierigen Augenblicke, aber wir machen weiter.

Halten Sie’s mit der Redewendung »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß«?

Paulo Coelho: Nein. Menschen betrügen, weil sie sich sagen: Was der andere nicht weiß, macht ihn nicht heiß, und ich leide deshalb auch nicht. Aber letztlich ist das eine alberne Ausrede, weil die Geheimnistuerei, das Sich-Verstecken, sehr viel anstrengender ist als Offenheit und Ehrlichkeit.

Aus dem Brasilianischen von Maralde Meyer-Minnemann

 

Der Roman Untreue erscheint am 24.9.2014.

Leseprobe: http://b2l.bz/2oZMYF

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