Heute feiert Hartmut Lange seinen 80. Geburtstag, wir gratulieren sehr herzlich! Lange, der »nicht nur einer der letzten großen Meister der Novelle, sondern auch ein Virtuose des bis ins kleinste Detail geschliffenen Stils« ist (Peter Mohr/Mannheimer Morgen), wäre übrigens um ein Haar nicht Diogenes Autor geworden. Es fügte sich dann aber doch noch alles glücklich.

Foto: © Hans-Christian Plambeck/laif
Das Studium
an der Hochschule für Filmkunst in Babelsberg vernachlässigte Hartmut Lange, 1937
in Berlin-Spandau geboren, zugunsten des Schreibens und wurde rausgeschmissen.
Er schrieb sein erstes Stück, das zwar nicht aufgeführt werden durfte, ihm aber
eine Stelle als Dramaturg am Deutschen Theater in Ost-Berlin einbrachte. Die Lektüre
der verbotenen Stalin-Biographie von Isaak Deutscher führte zur völligen
Entfremdung vom SED-Regime.
1965 kehrt Lange von einer
Reise nach Jugoslawien nicht zurück. Doch mit der ›Republikflucht‹ wird ihm die
BRD nicht sogleich zur neuen geistigen Heimat, Lange wird als linker Dramatiker
in der Nachfolge Brechts bekannt. Mit der schmerzhaften Wandlung vom ȟberzeugten
Marxisten« zum »positiven Nihilisten« in den siebziger Jahren wandeln sich auch
Langes Ausdrucksmittel: Aus dem Dramatiker wird ein Prosaautor.

In seiner intellektuellen Autobiographie Irrtum als Erkenntnis. Meine Realitätserfahrung als Schriftsteller, schreibt Hartmut Lange: »Mit neun Jahren begann ich, Gespenstergeschichten zu erzählen. Das war 1946. Meine Mutter verlor damals ihre Lebensmittelkarte, und da es keinen Ersatz gab, bot ich meinen Mitschülern an, sie zu unterhalten, das heißt, es gelang mir, sie in wenigen Minuten zu fesseln, indem ich etwas Spannendes erzählte. Dafür bekam ich belegte Brote, die ich mit nach Hause nahm.« Ende der siebziger Jahre, Hartmut Lange ist inzwischen ein bekannter Dramatiker, entdeckt er für sich wieder das Geschichtenschreiben, genauer: die Novellenform.

Hartmut Lange Anfang der 90er Jahre. Foto: © Monika Hasse
Daniel Keel liest 1982 Die Selbstverbrennung, die bei
Rowohlt erschienen ist, und nimmt Kontakt zum Autor auf. Im Oktober schickt
Hartmut Lange ein Manuskript an den Verlag mit den Worten: »Ich suche einen
Verlag, mit dem ich kontinuierlich zusammenarbeiten kann. Ich fühle mich bei
meinem aktuellen Verlag gut aufgehoben, kann aber doch ideologische Zwänge, die
mir das Lektorat auferlegen will, nicht akzeptieren. Ich würde mich freuen,
wenn wir miteinander ins Gespräch kommen könnten.« Das Manuskript geht im
Verlag unter, und infolge »unerklärlichen Schweigens« von Diogenes erscheint
das Tagebuch eines Melancholikers 1983 im Siedler Verlag in Berlin.
Ein Jahr später wird Hartmut Lange dann doch Diogenes Autor mit Die Waldsteinsonate –
und dann mit seinem Gesamtwerk.

Die Auflagen sind klein, die Resonanz anfänglich gering. »Danke, dass Sie mich in Ihrem Verlag überwintern lassen«, sagt Lange einmal zu seinem Verleger. Le Figaro in Paris schreibt: »Dieser Autor verdient es, dass man ihn mit ganz besonderer Aufmerksamkeit liest.« Der Kreis der Leser ist heute noch überschaubar, doch für die Kritik gehört Hartmut Lange längst zu den Meistern der deutschen Erzählkunst.

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Hartumt Langes erster Novellenband
Die Waldsteinsonate,
mit der er seinen internationalen Rang als Novellist begründete,
erscheint anlässlich des 80. Geburtstages in einer Neuauflage mit einem
Nachwort von Sebastian Kleinschmidt.
Auch als ebook.
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