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125 Jahre F. Scott Fitzgerald

Den 125. Geburtstag von F. Scott Fitzgerald am 24.9.2021 feiern wir mit dem neuen Kurzgeschichten-Band Partytime, der Geschichten zum Abtauchen in eine Welt von Glanz und Glimmer vereint. Für die Einstimmung zur nächsten Party zu Hause, Roaring Twenties-Feelings und eine Auszeit vom Alltag ist ein Auszug aus dem Band jetzt auf dem Blog zu lesen.

Foto: Archiv Diogenes Verlag »F. Scott Fitzgerald ist ein Schriftsteller, wie er uns heute fehlt. Man kann ihn wieder und wieder lesen.« Sandra Kegel / Frankfurter Allgemeine Zeitung

Auszug aus Partytime: 
(Seiten 12 bis 18)

Die fünf Hunde, drei Kammerzofen und das französische Waisenmädchen wurden in der größten Suite des Ritz einquartiert, und Rags [Martin-Jones] ließ sich träge in ein dampfendes, kräuterduftendes Bad gleiten, in dem sie fast eine Stunde lang döste. Danach erhielt sie geschäftlichen Besuch von einer Masseuse, einer Maniküre und zuletzt einer Pariser Coiffeuse, die ihren Haarschnitt wieder zu Häftlingsformat trimmte. Als John M. Chestnut um vier Uhr eintraf, begegnete er einem halben Dutzend Anwälten und Bankiers, den Verwaltern des Martin-Jones-Treuhandvermögens, die im Vorraum warteten. Sie warteten seit halb zwei und befanden sich allmählich in einem Zustand beträchtlicher Verärgerung.
    Nachdem eine der Zofen ihn einer gründlichen Inspektion unterzogen hatte [...] , wurde John umgehend zu M’selle geführt. M’selle ruhte in ihrem Schlafzimmer auf der Chaiselongue, inmitten von zwei Dutzend Seidenkissen, die sie über den Atlantik begleitet hatten. John betrat den Raum etwas steif und verbeugte sich förmlich.
    »Jetzt siehst du besser aus«, sagte sie, erhob sich aus ihren Kissen und begutachtete ihn beifällig. »Du hast Farbe bekommen.«
    Er dankte ihr kühl für das Kompliment.
    [...] »Morgen fahre ich nach Paris zurück.«[, sagte sie wie aus heiterem Himmel.]
    John Chestnut brachte vor Verblüffung kein Wort heraus.
    »Ich habe dir ja geschrieben, dass ich höchstens eine Woche lang bleiben würde«, fügte sie hinzu.
    »Aber Rags – «
    »Warum sollte ich auch? In New York gibt es keinen einzigen amüsanten Mann.«
    »Aber Rags, gibst du mir wirklich keine Chance? Kannst du nicht wenigstens für zehn Tage bleiben und mich ein bisschen besser kennenlernen?«
    »Dich kennenlernen!« Ihrem Ton ließ sich entnehmen, dass er bereits ein allzu offenes Buch für sie war. »Ich suche einen Mann, der zu einer ritterlichen Geste imstande ist.«
    »Willst du damit sagen, dass ich mich nur noch pantomimisch ausdrücken soll?«
    Rags seufzte voller Überdruss.
    »Ich will damit sagen, dass du keine Spur Phantasie hast«, erklärte sie geduldig. »Wie alle Amerikaner. Paris ist die einzige Großstadt, in der eine kultivierte Frau leben kann.«
    »Du hast wohl gar nichts mehr für mich übrig?«
    »Wenn das so wäre, dann hätte ich nicht den Atlantik überquert, um dich wiederzusehen. Aber als ich die Amerikaner auf dem Schiff sah, ist mir klargeworden, dass ich keinen Amerikaner heiraten kann. John, ich würde dich verabscheuen, und mein einziges Vergnügen würde darin bestehen, dir das Herz zu brechen.«
    Geschmeidig schlängelte sie sich wieder zwischen die Kissen, bis fast nichts mehr von ihr zu sehen war.
    »Ich habe mein Monokel verloren«, erklärte sie.
    Nach erfolglosem Suchen in den seidenen Tiefen stellte sie fest, dass das trügerische Glas ihr falsch herum um den Hals hing.
    »Ich wäre so gern verliebt«, sprach sie weiter, während sie das Monokel wieder in ihr Kinderauge steckte. »Letztes Frühjahr wäre ich in Sorrent um ein Haar mit einem indischen Radschah durchgebrannt, aber er war eine Spur zu dunkelhäutig, und eine seiner anderen Ehefrauen konnte ich partout nicht ausstehen.«
    »Hör auf mit diesem Blödsinn!«, rief John und schlug sich die Hände vor das Gesicht.
    »Aber ich habe ihn doch nicht geheiratet«, verteidigte sie sich. »Obwohl er in gewisser Hinsicht eine gute Partie war. Er war der drittreichste Untertan des britischen Weltreichs. Apropos – bist du reich?«
    »Nicht so reich wie du.«
    »Siehst du? Was kannst du mir denn bieten?«
    »Liebe.«
    »Liebe!« Wieder verschwand sie in den Kissen. »Pass mal auf, John. Für mich ist das Leben eine Abfolge glitzernder Bazare, und vor jedem steht ein Händler, der sich die Hände reibt und sagt: ›Beehren Sie meinen Laden mit Ihrem Besuch. Bestes Bazar von Welt.‹ Und ich trete ein, willens zu kaufen, meinen Beutel gefüllt mit Schönheit und Geld und
Liebe. ›Was haben Sie denn zu bieten?‹, frage ich ihn, und er reibt sich die Hände und sagt: ›Nun, Mademoiselle, heute hätten wir ausnehmend wuuun-der-schöne Liebe im Angebot.‹ Manchmal hat er sie nicht einmal auf Lager, sondern lässt sie holen, wenn er merkt, wie viel Geld ich ausgeben kann. Ach ja, Liebe bekomme ich immer, bevor ich gehe – umsonst. Das ist meine Revanche.«
    John Chestnut stand verzweifelt auf und tat einen Schritt zum Fenster.
    »Spring nicht raus«, sagte Rags schnell.
    »Schon gut.« Er warf seine Zigarette zur Madison Avenue hinunter.

Photo by Billy Huynh on Unsplash »F. Scott Fitzgerald war der Größte unter uns allen.« Ernest Hemingway

    »Es ist nicht deine Schuld«, sagte sie in sanfterem Ton. »So langweilig und prosaisch du auch bist, bedeutest du mir mehr, als ich sagen kann. Aber das Leben hier ist so eintönig. Nie passiert etwas.«
    »Jede Menge Dinge passieren«, widersprach er. »Erst heute hatten wir einen intellektuellen Mord in Hoboken und einen stellvertretenden Selbstmord in Maine. Dem Kongress liegt eine Gesetzesvorlage zur Sterilisierung von Agnostikern vor – «
    »Humor interessiert mich keine Spur«, wandte sie ein, »aber für Romantik habe ich ein hoffnungslos altmodisches Faible. Stell dir vor, John, letzten Monat saß ich bei einem Diner mit zwei Männern am Tisch, die mit einer Münze um das Königreich von Schwartzberg-Rheinmünster losten. In Paris habe ich einen gewissen Blutchdak kennengelernt, den echten Urheber des Ersten Weltkriegs, der für übernächstes Jahr einen neuen Krieg in Vorbereitung hat.«
    »Na gut, dann geh heute Abend mit mir aus, um dich zur Abwechslung auszuruhen«, sagte er störrisch.
    »Und wohin?«, fragte Rags verächtlich. »Denkst du etwa, mit einem Nachtclub und einer Flasche zuckrigem Schaumwein bringst du mich aus dem Häuschen? Meine eigenen billigen Träume sind mir lieber.«
    »Ich gehe mit dir in den überspanntesten Schuppen der Stadt.«
    »Und was passiert da? Du musst mir sagen, was da passiert.«
    John Chestnut atmete plötzlich tief ein und sah sich vorsichtig um, als fürchtete er, belauscht zu werden.
    »Also, um ehrlich zu sein«, sagte er leise und ernst, »wenn etwas rauskäme, würde mir etwas ziemlich Unangenehmes passieren.«
    Sie setzte sich auf, und die Kissen wirbelten wie Blätter um sie. »Willst du etwa behaupten, in deinem Leben gäbe es irgendetwas Zwielichtiges?«, rief sie mit einem Lachen in der Stimme. »Und das soll ich dir glauben? Nein, John, gib du dich damit zufrieden, die ausgetretenen Wege zu gehen und dich abzuplacken und abzuplacken.«
    Ihr Mund war eine kleine kecke Rose, die ihm diese Worte wie Dornen zuwarf. John nahm Hut und Mantel vom Stuhl und ergriff seinen Stock.
    »Zum letzten Mal: Kommst du heute Abend mit, um zu sehen, was es zu sehen gibt?«
    »Und was ist das? Oder wer? Gibt es in diesem Land denn irgendwas Sehenswertes?«
    »Nun«, sagte er gelassen, »du würdest zum Beispiel den Prince of Wales sehen.«
    »Was?« Sie sprang von der Chaiselongue auf. »Ist er wieder in New York?«
    »Heute Abend wird er hier sein. Würdest du ihn gerne sehen?«
    »Ob ich ihn gern sehen würde? Ich habe ihn noch nie gesehen. Ich habe ihn immer verpasst. Ich würde ein Jahr meines Lebens dafür geben, ihn für eine Stunde zu sehen.« Ihre Stimme zitterte vor Erregung.
    »Er kommt aus Kanada. Heute Nachmittag besucht er hier inkognito den großen Preiskampf, und ich weiß zufällig, wo er heute Abend sein wird.«
    Rags stieß einen schrillen Begeisterungsschrei aus: »Dominic! Louise! Germaine!
    Die drei Zofen kamen angerannt. Im Zimmer vibrierte auf einmal grelles, hektisches Licht.
    »Dominic, den Wagen!«, rief Rags auf Französisch. »Louise, mein goldenes Kleid und die Schuhe mit den echten goldenen Absätzen. Und die großen Perlen – alle Perlen – und das Diamantenei und die Strümpfe mit dem Saphirmuster. Germaine, rufen Sie einen mobilen Schönheitssalon. Lassen Sie mir wieder ein Bad ein, eiskalt und zur Hälfte mit Mandelcreme gefüllt. Dominic, wie der Blitz zu Tif fany’s, bevor sie schließen. Besorgen Sie mir eine Brosche, einen Anhänger, eine Tiara, irgendwas, egal was, mit dem Wappen des Hauses Windsor.«
    Sie nestelte an den Knöpfen ihres Kleids, das von ihren Schultern glitt, noch bevor John sich umgedreht hatte, um zu gehen.
    »Orchideen!«, rief sie ihm nach. »Unbedingt Orchideen! Vier Dutzend, damit ich vier aussuchen kann.«
    Und dann flatterten Zofen im Zimmer hin und her wie verschreckte Vögel. »Parfum, Louise, machen Sie den Parfumkoffer auf, und meine rosa Zobelpelze und meine diamantbesetzten Strumpfbänder und das Olivenöl für meine Hände! Hier, nehmen Sie diese Sachen! Das auch – und das – aua! – und das!«
    Sittsam schloss John Chestnut die Tür von außen. Die sechs Vermögensverwalter verstopf ten nach wie vor den Eingangsraum in unterschiedlichen Posen der Ermattung, des Überdrusses, der Resignation und der Verzweiflung. »Gentlemen«, verkündete John Chestnut, »ich fürchte, Miss Martin-Jones ist von ihrer Reise viel zu erschöpft, um sich heute Nachmittag mit Ihnen zu unterhalten.«

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Partytime

Geschichten aus den Roaring Twenties

An einer guten Party ist alles möglich: Tanz und Alkohol, Flirts und Schlägereien. Keiner wusste das besser als F. Scott Fitzgerald, der mit Zelda die Nächte durchfeierte und erst ging, wenn die Jazzmusiker ihre Instrumente einpackten und das Morgenlicht die Augen blendete. Das fröhliche Treiben mit seinen Untertönen – in diesen Storys ist es das Leben selbst.

Das Rezept für den perfekten Cocktail passend zur Lektüre oder die nächste Party ist in diesem Blogpost zu finden.

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