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Zürich zum fünften Mal im Lesefieber

Fünf Tage mit rund 180 literarischen Veranstaltungen in und um Zürich: das war das diesjährige Festival »Zürich liest«. Am Sonntag ging es mit Lesungen von Ingrid Noll und Martin Walker zu Ende. Davor wurde feierlich eröffnet, vorgetragen, diskutiert, literarisch spaziert und Tram gefahren, signiert, erzählt und natürlich allerorts gelesen.

Die Eröffnung

Die kurzweilige Eröffnungsrede von Zürcher Kulturdirektor Peter Haerle am Mittwochabend im Kaufleuten, in der er uns Leser mit Süchtigen verglich und die Stadt Zürich für ihre vorbildliche Drogenpolitik lobte, die dafür sorge, dass der »(Lese-)Stoff« breit verfügbar sei und zu erschwinglichen Preisen abgegeben werde, sorgte für Erheiterung.

Peter Stamm begeisterte mit seiner Festrede über die Zwecklosigkeit des Lesens und jene des Schreibens. Und später im erhellenden Gespräch mit Manfred Papst, dem Träger des Alfred-Kerr-Preises für Literaturkritik, unter dem Fokus »Der Dichter und sein Kritiker« – moderiert von Monika Schärer, die gewohnt sympathisch durch den ganzen Abend führte.

Den würdigen literarisch-musikalischen Abschluss dieser schönen Eröffnungsveranstaltung lieferten Arno Camenisch und Christian Brantschen.

So vielfältig angeregt, entschwanden die begeisterten Zuhörer voller Vorfreude auf die kommenden literarisch bereicherten Tage in die Nacht.

Der krönende Abschluss

Nachdem am Samstagnachmittag Lukas Hartmann in der voll besetzten Pro Senectute Bibliothek aus seinem für den Prix Chronos nominierten Kinderbuch Mein Dschinn las, war am Festivalsonntag im ausverkauftem Theater Neumarkt Ingrid Noll mit ihrem aktuell dreizehnten Roman Der Mittagstisch zu Gast. Der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer moderierte. Kennen und mögen gelernt hatten sich die beiden Autoren bereits auf der Leipziger Buchmesse 2014, die Sympathie und gute Stimmung sprang sofort auf das Publikum über.

Ingrid Noll, die kürzlich ihren 80. Geburtstag feierte, berichtete vom damit verbundenen Trubel und versprach dem 41-jährigen Thomas Meyer, dass ihn in den kommenden Jahren noch viel Ruhm und Glanz als Schriftsteller erwarteten. Auf seine Frage, woran Ingrid Noll am meisten gereift sei, antwortete sie: »An der Erziehung meiner drei Kinder.« Thomas Meyer, dessen Sohn noch klein ist, hätte also noch einiges vor sich. Ingrid Noll: »Enkel sind die Belohnung dafür, dass man seine eigenen Kinder während der Pubertät nicht erwürgte.«

Gemordet wird bei Ingrid Noll wirklich nur in ihren Krimis. Beide rechneten, dass im Schnitt 2-3 Romanfiguren pro Buch ihr Leben lassen müssen. Thomas Meyer: »Ich bekomme es einfach nicht zusammen: Sie sind eine so nette Dame, Frau Noll, und haben dennoch so böse Gedanken.« Worauf Ingrid Noll schlagfertig antwortete: »Man muss ja schließlich irgendwo kompensieren.«

Ernst wurde es bei der Erörterung der Flüchtlingskrise. Ingrid Noll tritt bei Weinheim bleibt bunt gegen Rassismus auf, Thomas Meyer hilft direkt vor Ort in Kroatien/Serbien. Das Publikum spendete fleißig am Ende des Abends. Vielen Dank!

Gleichzeitig nahm Martin Walker in Winterthur seine Zuhörer mit auf eine Reise in die Zukunft. Er präsentierte im Casinotheater seinen neuen Thriller Germany 2064 und las gemeinsam mit dem Schauspieler Klaus Henner Russius einige Passagen daraus vor.

Dass wir am Beginn einer Revolution stehen, ist für den langjährigen Journalisten Walker klar: Es gibt eine wachsende Kluft zwischen den Leuten, die eine technologisierte Zukunft befürworten und jenen, die diese zunehmend ablehnen und sich wieder stärker der Natur zuwenden.

Im Roman ist High-Tech wie implantierte Chips zur Gesundheitsüberwachung Standard, auch empathische Roboter sind nicht mehr wegzudenken. Fesselnd erzählt Martin Walker von Kliniken in Japan, wo demente Patienten schon heute voller Zuneigung niedliche Roboter-Robben streicheln. Im Irakkrieg traf er US-Soldaten, die traurig waren, als der Roboter »umkam«, der für sie nach versteckten Sprengsätzen suchte. Wie sein Protagonist Kommissar Bernd Aguilar würden wir schnell eine emotionale Beziehung zu robotisierten Partnern aufbauen.

Im Gespräch mit Monika Schärer durfte Martin Walkers andere Hauptfigur, der Chef de police Bruno, natürlich nicht unerwähnt bleiben. Die Liedzeilen aus dem aktuellen Fall Provokateure trug der charmante Krimiautor gleich selber vor und erntete für seine spontane Gesangseinlage begeisterten Applaus. 

Eine lebendige Schweizer Literatur- und Buchszene

Lebendig und vielfältig präsentierte sich somit die Schweizer Literatur- und Buchszene, diese abschließende Feststellung der Festivalleitung möchten wir bekräftigen. »Sprachstarke Autoren und Autorinnen, innovative Verleger und unternehmungsfreudige Buchhändlerinnen.« Und nicht zu vergessen: all die interessierten, neugierigen und enthusiastischen Leser.

Veranstaltet wird »Zürich liest« vom Zürcher Buchhändler- und Verlegerverein ZBVV, in Zusammenarbeit mit Literaturhaus Zürich, Casinotheater Winterthur, Theater Neumarkt, Theater Rigiblick u.v.a.m. Mitgetragen wird das beliebte Festival von Stadt und Kanton Zürich, Stadt Winterthur sowie von Stiftungen und weiteren privaten Partnern.

Und zum Vormerken: »Zürich liest'16« findet vom 27. bis 30. Oktober 2016 statt.