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Titel 913Souvenir (Postkartenbuch) 120. Juli 1Vertrauen 1Tante Lisbeth 1Abbitte 2Die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn 1Die Abenteuer der Familie Mellops 1Die Abenteurer 1Der Abgrund in dir 1Abrechnung 1Abschalten 1Adams Erbe 3Adelaide 1Allumette 1Als ich im Sterben lag 1Ambivalenz 1America 1America 1Amsterdam 1Aller Anfang 1Der Anti-Struwwelpeter 1Die Apothekerin 1Astas Tagebuch 1Quer durch Athen 3Auf beiden Seiten 11Auf der Strecke 1Der Aufgang 2Auf Messers Schneide 1Aufstand der Frauen 1Der Auftrag 1Auroras Anlaß 1Ausflug ins wirkliche Leben 1Auszeit 1Zwei Bärinnen 1Balkan Blues 1Die Ballade vom traurigen Café 1Der Besuch der alten Dame 4Die Physiker 4Der Meteor / Dichterdämmerung 1Playback 1Achterloo I / Rollenspiele / Achterloo IV 2Der lange Abschied 3Lebwohl, mein Liebling 1Das hohe Fenster 1Bei den Brunettis zu Gast 2Bella Ciao 1Besser nie als spät 2Graue Bienen 1Die Bierkönigin von Minnesota 2Das Bildnis des Dorian Gray 1Bis ans Ende der Meere 3Bis zur Neige 1Der Blick aus dem Fenster 4Die Blütezeit der Miss Jean Brodie 1Die Blumen von gestern 1Das kalte Blut 2Das Böse kommt auf leisen Sohlen 1Bon Appétit 2Books and You 1Das Boot ist voll 1Der Brand 1Brezel 1Briefe 1Brunos Kochbuch 8Brunos Küchenkalender 2018 1Das Buch eines Sommers 1Das Buch der Schwestern 1Letzter Bus nach Coffeeville 5Business Class 1California Girl 2Cheers 1Coco der neugierige Affe 1Coco fährt Rad 1Coco kommt ins Krankenhaus 1Creamtrain 1Das Entdecken erfinden 1Denken mit Immanuel Kant 1Denken mit Voltaire 1Denken mit Oscar Wilde 1Deutschland Was Geht 1Der Dieb 4Diebe und Vampire 3Die im Dunkeln sieht man doch 1Diesseits vom Paradies 1Dodgers 1Doppelpass 1Dornröschen 1Der Drahtzieher 1Dramatische Werke 1Ein letzter Drink 1The Drop - Bargeld 1Mein Dschinn 2Die dunkle Seite des Mondes 2Durcheinandertal 1Durchtanzte Nächte 1Du sagst es 1Ediths Tagebuch 2Das allerbeste Buch von Egon Wurm 1Einer von euch 2Elsa ungeheuer 3Elsies Lebenslust 1Am Ende einer Welt 1Vom Ende der Einsamkeit 10Die Entdeckung Amerikas 1Erpresser schießen nicht 1Sämtliche Erzählungen 1Späte Erzählungen in zwei Bänden 1893–1903 1Esaus Kuß 1Es scheint die Sonne noch so schön 1Face to Face 1Fahrenheit 451 2Happy birthday, Türke! 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1Judiths Liebe 1Zwölf Mal Juli 3Der Junge und die Taube 1Junge mit schwarzem Hahn 1Der Junge, der Ripley folgte 2Justiz 2Himmlische Juwelen 1Kaffee 1Kalmann 2Kalmann und der schlafende Berg 2Kein Kuss für Mutter 1Kein Kuss für Mutter 1Wo die wilden Kerle wohnen 1Kind ohne Namen 1Die Kinderfrau 2Kinderjahre 1Noch mehr schönste Kinderlieder 1Kindes Kind 1Kindeswohl 3Kirschblüten 2Kitchen 2Der kleine Nick 1Knigi 1Das große Knuddeln 2Der Koch 1Der König in Gelb 1Der belgische Konsul 1Der Kontrabaß 2Der Konvoi 1Faule Kredite 1Kremulator 1Rote Kreuze 1Krieg und Frieden 1Die Kriminalromane 1Wenn Kubaki kommt 1In Küstennähe 1Kulinaritäten 1Die Kunst, Schluss zu machen 1Die Kunst, Champagner zu trinken 2Labyrinth 2Laßt die Bären los! 1Ein Leben in Geschichten 1Ein Leben lang 2Leben, schreiben, atmen 1Berauscht vom Leben 4Das späte Leben 1Leben auf dem Land 1Ein gutes Leben ist die beste Antwort 3Das Leben wartet nicht 1Lebensgeister 1Leben und Werk 1Leinsee 1Die Liebe des letzten Tycoon 1Die Libanonzeder 1The Lugubrious Library 1Licht 2Liebe ist die beste Therapie 1In Liebe Dein Karl 3Die Liebe im Ernstfall 2Erste Liebe – letzte Riten 1Liebe 1Lieber Leo 1Liebeswahn 1Lieblingsmenschen 3Liebwies 2Das Lied des Geldes 1Sing mir ein Lied 4Das große Liederbuch 2Liza von Lambeth 1Lösegeld für einen Hund 1Der Löwensucher 1Logbuch eines unbarmherzigen Jahres 2Lust und Laster 2Macno 1Germany 2064 1Magic Hoffmann 2Maigrets Frankreich 2Maktub 1Der Malteser Falke 1Mameleben 1Mara 1Aus dem Leben einer Matratze bester Machart 1Nach Mattias 2Hinter den Mauern der Ozean 1Mauersegler 4Memento Mori 1Ein passender Mieter 1Mini Philosophy 1Minotaurus / Der Auftrag / Midas 1Auch Miststücke können einem leidtun 1Mit Staunen und Zittern 2Der Mittagstisch 4Mit wehenden Fahnen 1Moby-Dick 1Der Mondmann 1Montecristo 5Mord im Regen 1Morgen räum ich auf 1Moshi Moshi 1My Movie Business 1Muldental 2Museum der Erinnerung 1Im Museum 1Mystic River 3Nach dem Applaus 1Uns gehört die Nacht 2In der Nacht 5Letzte Nacht in Twisted River 2Nachtschein 1Ein neues Jahr voller Wunder 1Nicht schon wieder keine Tore 2Der kleine Nick – Feriengeschichten 3Der kleine Nick spielt Fußball 1Der kleine Nick und seine Bande 1Der kleine Nick und die Ferien 1Der kleine Nick und die Mädchen 1Der kleine Nick und die Schule 1Non Stop 1Notizbuch eines Schriftstellers 1Offshore 1Ohne Furcht und Tadel 1Owen Meany 5Palast der Finsternis 1Die Panne 2Papa Schnapp und seine noch-nie-dagewesenen Geschichten 1Papyrus 2Paradise Garden 1Das Parfum 1Partytime 4Brunos Périgord 1Pestalozzis Berg 1Peter Pan 1Keine zehn Pferde 2Picknick auf dem Eis 1Pink Hotel 2Politik und Liebe machen 1Marius Müller-Westernhagen 2Quatemberkinder 1Die drei Räuber 1Rauch und Schall 1Rebell im Cola-Hinterland 1Rechnung über meine Dukaten 3Reflex 1Regen 1Im Reich der Schuhe 1Die Reinheit des Mörders 1Reise nach Tripiti 2Reise an den Rand des Universums 1Reise um die Erde in achtzig Tagen 1Die Reisgöttin 3Der Richter und sein Henker 1Der Richter und sein Henker / Der Verdacht 1Ripley 1Der talentierte Mr. Ripley 1Die Ripley-Romane 1Ripley's Game oder Der amerikanische Freund 2Ripley Under Ground 3Ripley Under Water 2Röslein rot 1Rollenspiele 1Der unsichtbare Roman 1Rosie und die Künstler 1Ein Russischer Roman 3Die Sache mit der Angst 2Die Sache mit dem Dezember 7Der Sänger 1Sag mir, was hast du vor mit deinem wilden, kostbaren Leben 1Salz und sein Preis 1Das Paar im Kahn 1Hunkeler und der Fall Livius 1Hunkeler und die Augen des Ödipus 1Samson und Nadjeschda 1Das Sandkorn 6Saturday 1Herr Sauermann sucht seine Zähne 1Der große Schlaf 2Schlangen im Garten 2Der bunte Schleier 2Schlimmer geht immer 1Die Schönen und Verdammten 1Schorschi schrumpft 1Der Schrei der Eule 1Schwarze Hunde 1Schwefelhochzeit 1Drei Schwestern 1Scoop 1Scott-Kings moderne Welt 1Der Seewolf 1Am Seil 3Seitensprung 2Sekunden der Gnade 3Selam Berlin 2Die Selbstverbrennung 1Serafin und seine Wundermaschine 1Shutter Island 1Sie und der Wald 3Silbermond und Kupfermünze 1Simenon und Maigret bitten zu Tisch 1Small World 3Sobald wir angekommen sind 1Der ehemalige Sohn 2Becks letzter Sommer 12Sommerfrauen, Winterfrauen 1Song Book 1Der Spiegelkasten 1Die schwarze Spinne 1Spinner 2Die Spionin 1Der Sprung 1Eine Handvoll Staub 2Die Stimme 1Straße der Wunder 2Eine lange Straße lang 1Die Stücke 1Der Stümper 2Sturmhöhe 2Die Suche nach der Gegenwart 1Die Sünde der Frau 1Der Sündenfall – ein Glücksfall? 1SumSum 1Tage in Burma 1Tagebuch einer Reise nach Italien 1Tage- und Notizbücher 1Tahara 2Das andere Tal 1Tea Time 3Tell 3Der Teufel von Mailand 1Tiefe Wasser 1Tod in Hollywood 1Der Tod des Odysseus 1Top Job 1Das Totenschiff 1Das Traumtheater 1Trennt euch! 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Am 20.5.2021 erhielt die Leipziger Schriftstellerin Daniela Krien, Autorin von Die Liebe im Ernstfall und Muldental, den Sächsischen Literaturpreis 2020.
Die Preisverleihung kann hier nachgesehen werden. Rainer Moritz, Leiter des Hamburger Literaturhauses, Autor und Literatrukritiker, thematisiert in seiner Laudatio die bisherigen Werke von Daniela Krien, ihre Menschenkenntnis und Lebensklugheit, das Thema Freiheit und Lebensgeschichten.
Am 28.7.2021 ist Daniela Kriens neuer Roman Der Brand erschienen.
Laudatio auf Daniela Krien
Der Mensch ist kein Zugvogel
Sächsischer Literaturpreis – Leipzig, 20.5.2021
Neulich las ich in der Süddeutschen Zeitung die Rezension eines bekannten, sehr belesenen, von seiner progressiven Intellektualität nicht unüberzeugten Kritikers. Dieser besprach recht wohlwollend den aktuellen, ziemlich erfolgreichen Roman eines in Oberbayern lebenden Autors und kam dabei auf leicht gönnerhafte Weise nicht umhin, das zu besprechende Werk in der literarischen Hierarchieleiter richtig einzuordnen: »Nicht nur deshalb fällt seine Prosa in die Kategorie Gehobene Unterhaltung.«
Dieser selbstgewiss formulierte Satz gab und gibt mir zu denken; er erinnert mich an Diskussionen, die wir in Deutschland seit einem Vierteljahrhundert leider immer wieder führen. Warum neigt man hierzulande so vehement dazu, zwischen E und U, zwischen ernsthafter und ›nur‹ unterhaltender Kunst zu unterscheiden? Wer legt die Maßstäbe fest, und wo liegen die? Wie viel Dünkel steckt in diesen Urteilen? Und was genau ist ›Gehobene Unterhaltung‹, wie lautet der Gegenbegriff: ›Niedere, triviale Unterhaltung‹?
Sie sehen, meine Damen und Herren, so recht kommt man mit diesen Begriffen nicht weiter. Ich halte nichts von ihnen sowieso wenig, und wenn es in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur ein Beispiel dafür gibt, diese Ab- und Ausgrenzungen aus der Retorte ad absurdum zu führen, ist es Daniela Krien. Ihre beiden Romane Irgendwann werden wir uns alles erzählen und Die Liebe im Ernstfall sowie ihr Erzählungsband Muldental sind hoch intelligente Bücher, die nicht vor Bedeutsamkeit triefen, gleichzeitig vor existenziellem Ernst nicht zurückschrecken und – ja – auch unterhaltend sind.
Worum geht es in Daniela Kriens Büchern? Schon ihr Debüt ließ keinen Zweifel daran, dass sich diese Autorin für Lebensgeschichten interessiert, für Einschnitte, Rückschläge, Demütigungen und zugleich für die nicht zu tilgende Sehnsucht, die Täler der Tränen und Enttäuschungen zu verlassen.
Irgenwann werden wir uns alles erzählen ist situiert im Sommer 1990, in einem kleinen Dorf der sich auflösenden DDR. Maria heißt das sechzehnjährige Mädchen, das ihr zerrüttetes Elternhaus verlässt und auf dem Hof des Brendel-Bauern unterschlüpft. Vater Siegfried führt in dem Dreigenerationenanwesen das Regiment und nimmt Maria, die Freundin seines Sohnes Johannes, umstandslos in die Sippe auf. Während der Patriarch die Chance wittert, den Mauerfall ökonomisch auszunutzen und biodynamische Landwirtschaft auf seinem Hof zu etablieren, gönnt sich Johannes eine teure Kamera und träumt nur noch davon, als Fotograf nach Leipzig zu gehen. Je stärker er sich mit Blenden und Objektiven befasst, desto weniger kümmert er sich um Maria – zumal diese sich ohnehin gut selbst beschäftigen kann, mit der Lektüre von Hamsun oder Dostojewski zum Beispiel.
Daniela Krien baut klug eine Szenerie auf, die von der Unruhe einer Übergangszeit geprägt ist. Die Gepflogenheiten der DDR werden bald ins Hintertreffen geraten, und die ersten Kontakte mit dem Westen – Siegfrieds Bruder kommt aus dem Bayerischen zu Besuch – schaffen neue Unsicherheiten. Fürs Erste sind es jedoch nicht die politischen Veränderungen, die sie umtreiben, sondern der vierzigjährige Henner, der ›Mann auf dem Nachbarhof‹. Diesem eilt ein zwiespältiger Ruf voraus: Zu DDR-Zeiten saß er im Gefängnis; regelmäßig trinkt er über den Durst, und seinen Hof bewirtschaftet der unverheiratete, zu Gewaltausbrüchen neigende Kraftprotz auf unkonventionelle Weise. Und nicht zuletzt besitzt der gutaussehende Mann, der Trakl-Gedichte liest, eine erotische Ausstrahlung, der Maria ohne Gegenwehr erliegt.
Der erfahrene Mann und das scheue Mädchen – binnen kurzer Zeit entspinnt sich eine Bindung, die nicht von Kuschelsexvarianten bestimmt wird. Angefeuert durch Lesefrüchte aus den Brüdern Karamasow (die auch zum Romantitel führten), legt sich Maria keine Zurückhaltung auf und ist fest entschlossen, diese Amour fou auszuleben – was immer man auf dem Brendel-Hof dazu sagen wird. Henner, der weiß, wie wenig er der jungen Frau auf Dauer zu bieten hat, windet sich und trifft am Ende eine Entscheidung, die der fehlenden Perspektive brutal Rechnung zollt.
Irgendwann werden wir uns alles erzählen ist ein couragierter Erstlingsroman, der sich nicht in Beobachtungslitaneien oder melancholischen Tagträumereien ergeht. Daniela Krien hat ein starkes Sujet, und wie sie diese verwegene Liebesgeschichte mit Rückblenden in die DDR-Geschichte und Ahnungen dessen, was die bevorstehende Wiedervereinigung bringen wird, verknüpft, hat große Überzeugungskraft.
Muldental
»Für mich änderte der Fall der Mauer alles«, sagt Maria einmal und formuliert damit ein unterschwelliges Leitthema aller Krien’schen Bücher. Es sind oft ostdeutsche Biografien, die hier präsentiert werden, gebrochene Lebensgeschichten, die ohne den Verlust des Kindheitsortes DDR nicht denkbar sind. Daniela Krien erzählt davon ohne ressentimentgeladene Nostalgie und doch mit einer klaren Haltung, die deutlich macht, wie der Westen nach der Wende mit seiner Goldgräbermentalität vieles im Osten wahllos einebnete und den betroffenen Menschen viel, ja manchmal zu viel zumutete. »Die Unfreiheit der Menschen«, sagt eine von Kriens Figuren über den Westen, »schien ihm nicht kleiner zu sein, nur gestaltlos, unsichtbar auf den ersten Blick.«
Unfreiheit, Freiheit – das sind Schlüsselvokabeln für Daniela Krien. Was können die Einzelnen selbst entscheiden? Wann sind sie gesellschaftlichen Mächten ausgeliefert und werden zu hilflos Getriebenen, zu Überforderten? In der Erzählung Freiheit (aus Muldental) findet sich dafür ein schönes Bild:
»Woher die Vögel wissen, wohin sie müssen, das hatte sich Eva als Kind oft gefragt. ›Gott hat es in ihnen festgeschrieben‹, sagte der Vater. ›Sie müssen es nicht lernen. Sie wissen es von Anfang an.‹ ›Und wenn sie woanders hin wollen?‹, fragte sie weiter. ›Das wollen sie nicht. Sie können es nicht wollen.‹ Hätte sie Gott nicht längst aus ihrem Leben gestrichen, spätestens heute würde sie es tun. Heute ist ein guter Tag, um Gott zu zeigen, wer die Entscheidungen trifft.«
Gott hat ausgedient. »Sie können es nicht wollen«, dieser väterliche Beschwichtigungssatz mag auf Zugvögel treffen, nicht auf Daniela Kriens Figuren. Diese müssen ständig Entscheidungen treffen, müssen ständig etwas »wollen«, müssen abwägen und sind dabei oft genug allein auf sich gestellt. Im Vorwort zur Neuausgabe der Erzählungen Muldental hat Daniela Krien dieses Dilemma selbst ausgesprochen, bezogen auf die gegenwärtigen liberalen Gesellschaftsordnungen in der Mitte Europas, wo der Mensch die »unausgesprochene Schuld für sein Versagen allein« trage: »Kein Gott, kein Kollektiv, keine übergeordnete Macht nimmt sie ihm ab. Frei wie nie zuvor trifft das Individuum seine Entscheidungen. Unter dem Diktat der Selbstoptimierung darf es keinen Stillstand geben. Aufgeben ist keine Option.«
Das Personal in Kriens Büchern versucht sich in diesem Dschungel zurechtzufinden, versucht gegen das Aufgeben anzukämpfen. Sehr häufig sind es Frauen, die dabei im Mittelpunkt stehen. Männer, sagen wir es offen, machen in Kriens Texten selten eine gute Figur. Zu sehr sind sie mit sich beschäftigt, zu sehr darauf bedacht, eine Rolle zu spielen. In der Erzählung Plan B, in der die beiden Freundinnen Bettina und Maren beschließen, als Edelprostituierte zu arbeiten und die Honoratioren der Stadt dezent zu empfangen, heißt es, als Bettina ihrer Freundin eine Art Beischlafsprachbegleitkurs gibt, folglich unmissverständlich: »›Hör auf!‹ Maren schüttelt sich. ›Wie du redest ...‹ ›Männer sind so! Die wollen diesen Quatsch hören.‹ ›Aber ich kann ihn nicht sagen, diesen Quatsch.‹«
Sagen, was ist, das scheint eher Frauensache zu sein, hören, was man hören will, eher Männersache.
Apropos Sex: Explizite Stellen gibt es in Daniela Kriens Büchern immer wieder, und da ich als Spezialist auf diesem speziellen literaturwissenschaftlichen Terrain gelte, kann ich versichern: Diese Autorin kann auch über Sex schreiben, ohne falschen Ton, nüchtern und doch mit genauem Sinn für das, was erotische Leidenschaft ausmacht.
Die Liebe im Ernstfall
Freiheit – was ist das? Dieses Thema greift Daniela Kriens Die Liebe im Ernstfall in vielen Nuancen und Variationen auf, dieses Buch, das zu einem so großen, überraschenden Erfolg wurde, im Buchhandel und bei der Kritik. Um fünf Frauen geht es in diesem Roman. Allesamt sind sie selbstbewusste, eigenwillige Charaktere, die privat wie beruflich einiges zu schultern hatten und haben. Paula ist Buchhändlerin, Judith Ärztin, Brida Schriftstellerin, Malika Musiklehrerin, Jorinde Schauspielerin – und trotz dieser vermeintlich guten Verankerung im bürgerlichen Leben hat keine von ihnen einen festen Platz in dieser Gesellschaft, scheint keine von ihnen ein beständiges Liebes- und Familienglück zu finden.
Daniela Krien widmet jeder ihrer Protagonistinnen, die über Freundschafts- oder Verwandtschaftsbeziehungen miteinander verbunden sind, ein Kapitel und lässt sie durch den Alltag lavieren und auf ihre Vergangenheit zurückblicken, ohne dass sie an einen Fixpunkt gelangen würden. Sie gehen (On-Off-)Beziehungen ein, begreifen Sex nicht nur als vom Partner bestimmtes Nice-to-have-Phänomen, heiraten, bekommen Kinder, haben Affären, trennen sich, kehren zu ihrem Ex zurück, machen Patchwork-Urlaube, streiten sich ums Sorgerecht, tragen mal offene, mal klandestine Konflikte mit ihren Eltern aus – oder suchen, wie die in ihrem Beruf aufgehende Judith, auf Partnerschaftsportalen nach Männern, die ihre Eitelkeit im Zaum halten, kulturell interessiert sind und noch nicht unter Erektionsflauten leiden.
Das alles, so scheint es auf den ersten Blick, kennt man – aus anderen Romanen oder Beziehungsratgebern. Umso größer dann das sich steigernde Erstaunen darüber, wie Daniela Krien es versteht, ihrem Reigen von Frauenbiografien einen eigenen, nachhallenden Ton zu geben. Dieser Roman hat sehr viel über unsere Gegenwart zu erzählen, was wiederum mit dem klaren, unverstellten und kompromisslosen Blick der Autorin auf ihr Personal zu tun hat. Dieses kämpft darum, Richtig und Falsch auseinanderzuhalten und folgerichtig zu handeln ... meist vergeblich. Liebe hat, so eine Konsequenz, nicht primär mit Gefühl und Romantik zu tun: »Man muss die Liebe vom Ernstfall aus betrachten.«
»Meine Helden sind keine Gewinner«, sagt Daniela Krien. Dass sie es so brillant versteht, uns diese Heldinnen und Helden, »deren Schicksal ihre Kräfte übersteigt«, so nahe zu bringen, ist eine Sache des Stils – und des Vermögens, ohne Umschweife Gedanken und Gefühle auf den Punkt zu bringen und so eine schnörkellose Prosa zu schreiben, die gerade zwischen den Sätzen und Absätzen einen mitunter unheimlichen, von ihren Leserinnen und Lesern auszufüllenden Freiraum lässt.
Es sind Daniela Kriens beiläufige, klug platzierte Sätze, die sich unweigerlich im Kopf festsetzen. Wenn Paulas ökologisch hoch motivierter Partner sich selbst als glücklichen Menschen sieht, zeigt der Folgesatz, worauf seine Einschätzung basiert: »Paula erschien es, als bezahle sie den Preis für dieses Glück«. Und gleichzeitig fällt diese Bemerkung: »Selbst die Verlässlichkeit einer schlechten Ehe war immer noch Verlässlichkeit.« Und wenn Malikas Mutter, unzufrieden darüber, dass aus ihrer Tochter keine weltberühmte Solistin wurde, deren gute Noten als Musiklehrerin mit einem »Wenn man bedenkt, was du hättest werden können« kommentiert, oder Paula Radionachrichten in der Hoffnung hört auf eine »Meldung, die schlimmer war als ihr eigenes Leben«, dann spürt man die uneitle Kunst dieser Autorin. Die psychische Zerrissenheit ihrer Figuren könnte nicht besser dargestellt werden.
Wie man über ›Ernstfälle‹ in zurückgenommenen, nicht pathetischen und sehr präzisen Sätzen schreibt, das lässt sich an Daniela Kriens Prosa mit Vergnügen beobachten. Eine ihrer Figuren, die Schriftstellerin Brida, erinnert sich an die Zeit, als sie an einem Literaturinstitut studierte. An »Menschenkenntnis und Lebensklugheit« habe es der Prosa ihrer Kommilitonen gemangelt, die stattdessen Wert darauf gelegt hätten, »auf Stil getrimmte Texte« zu präsentieren.
»Menschenkenntnis und Lebensklugheit« – ja, das macht vielleicht das Geheimnis von Daniela Kriens Literatur aus. Eine Menschenkenntnis und eine Lebensklugheit, die sich in ihrem Stil spiegeln. Als ich vor gut anderthalb Jahren in einer Kritikerrunde über Die Liebe im Ernstfall diskutierte, meinte eine Kollegin, dass dieses Buch nichts künstlich Ausgedachtes an sich habe und dass einen die Lektüre deshalb so bewege. Ich weiß, ›echt‹, ›wahrhaftig‹ oder ›authentisch‹ sind äußerst heikle literaturkritische Termini, weil Literatur immer eine Simulation des Echten, Wahrhaftigen oder Authentischen ist. Und doch liegt darin die Magie dieser Prosa, die uns fast auf jeder Seite von ihrer Notwendigkeit überzeugt.
Die Literatur im Ernstfall – damit würde ich gern Daniela Kriens großartige Bücher überschreiben, und deshalb freue ich mich sehr, dass sie heute den Sächsischen Literaturpreis erhält. Liebe Daniela Krien, ich gratuliere Ihnen sehr und danke Ihnen, meine Damen und Herren, fürs Zuhören.
Rainer Moritz