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Doris Dörrie – Ticket-Verlosung zum Kinostart von ›Freibad‹

Wir haben tolle Neuigkeiten: mit dem Kinostart am 1. September des Films Freibad von der Regisseurin und Diogenes-Autorin Doris Dörrie lässt sich der Sommer noch etwas verlängern! 

Zu diesem freudigen Anlass verlosen wir 5x2 Kinotickets.

Im Interview spricht Doris Dörrie unter anderem über ihren neuen Film, über Selbstbestimmung, Bodyshaming, Vorurteile und über die Bedeutung von Humor.

Foto: © Mathias Bothor / Photoselection

Ihr Film Freibad kommt am 1.September 2022 in die Kinos. Welche Erinnerungen haben Sie an Besuche im Freibad?

Doris Dörrie: Ich habe glückliche Kindheitserinnerungen an Chlorgeruch, Pommes rot-weiß und Arschbomben, und dann ab der Pubertät das Gefühl mich ständig beobachtet und bewertet gefühlt zu haben, und mit einem Mal ganz schüchtern geworden zu sein. Ich weiß noch, dass ich mich mal einen ganzen Tag lang nicht umgedreht habe, weil ich mich nicht im Bikini zeigen wollte, und mir dabei einen grässlichen Sonnenbrand in den Kniekehlen geholt habe…Darum geht es auch in unserem Film: der weibliche Körper und seine ständige Beurteilung.

Der Film nimmt uns erst mal mit in eine Atmosphäre sommerlicher Leichtigkeit Kinderlachen, Wasserplätschern, Sonnenglitzern im blauen Becken bis plötzlich eine Polizeimannschaft in Kampfmontur das Bad stürmt. Und schon platzt die ganze schwierige Welt von draußen in dieses Idyll. Was ist Ihre Grundidee für diesen Film gewesen?

Doris Dörrie: Zum einen hörte ich vermehrt, dass es in Freibädern immer wieder Stress gab mit unterschiedlichen Besucher*innen und den Regeln, und dann erschien 2017 ein Artikel in der ZEIT von Ursula März, der die heftigen Konflikte im einzigen Frauenbad Deutschlands, dem Freiburger Lorettobad, beschrieb. Ich hatte die Idee, diesen Stoff als Komödie zu erzählen und trug die Idee zu Christoph Müller bei der Constantin, der gleich sehr begeistert war. Wir haben zwei Co-Autorinnen ausgesucht, eine sehr junge Autorin, Madeleine Fricke und Karin Kaçi, eine Autorin mit migrantischer Erfahrung, und so haben wir drei angefangen, aus drei verschiedenen Frauenperspektiven diese Geschichte zu schreiben, die fast ausschließlich im Freibad spielt, fast wie ein Theaterstück. Das war ein gutes Stück Arbeit, weil ja so viele Figuren vorkommen. Zusammen mit meiner Castingchefin Nessie Nesslauer habe ich sehr früh angefangen zu besetzen, und wunderbarer Weise haben alle Schauspielerinnen sofort zugesagt. Ich halte Probenarbeit allgemein, für enorm wichtig, und hier besonders, aber sie ist in der Regel kaum durchzusetzen, weil sie normalerweise nicht bezahlt wird. Das sollte dringend geändert werden. Wegen der Pandemie mussten wir anfangs online proben, was erstaunlich gut ging. Kurz vor Drehbeginn haben wir dann mit diesem phänomenalen Ensemble das Ganze am Stück in Bikini und Badeanzug in einem großen Saal mehrmals komplett durchgespielt. Das hatte ich bei meinen Operninszenierungen ausprobiert, weil es allen Beteiligten ein Gefühl für das Ganze gibt, was beim Film ja sonst kaum stattfindet. Hier war es wirklich verblüffend, wie gut das funktioniert hat. Es hat sehr viel Vertrauen geschaffen, – auch, wie es sich anfühlt, sich den ganzen Tag in Badeanzug und Bikini voreinander zu zeigen.

Es gelingt Ihnen auch hier, die individuellen Geschichten ihrer Protagonistinnen, die unter der Oberfläche wabern, mitzudenken, mit zu inszenieren. Sind diese Hintergrundgeschichten zum Teil auch erst durch das gemeinsame Proben entstanden?

Doris Dörrie: Der Subtext der Figuren war von uns natürlich geschrieben, aber viele Details sind durch den langen Probenprozess dazu gekommen. Das kann man am Ende gar nicht mehr so auseinanderdividieren, weil das ganz feinstoffliche Vorgänge sind, aber durch diesen gemeinsamen Probenprozess waren wir uns alle so nahe, dass es dann beim Dreh im Freibad keine Scheu mehr gab. Alle hatten immenses Vertrauen zueinander, auch zu mir, und die Gewissheit, dass ich sie beschützen würde in ihrer physischen und psychischen Offenheit, was, wie ich finde, eine der Hauptaufgaben der Regie ist.

Lassen Sie uns über Ihren Film als Parabel sprechen: eine Parabel über Freiheit, über Regeln, über falsche Überzeugungen, über Toleranz, über Selbstbestimmtheit, über kulturelle Unterschiede. Ihre Filmdialoge sind vollgepackt mit den kleinen alltäglichen Rassismen, Sexismen und Diskriminierungen – und jede für sich in diesem Bad würde behaupten, absolut tolerant zu sein, aber man wird ja wohl noch sagen dürfen…und da fängt es dann an. Wie schwer empfinden Sie es persönlich, wirklich tolerant zu sein, andere Arten des Lebens und Denkens zuzulassen?

Doris Dörrie: Ich bin sehr dankbar für den Prozess, der seit etwa fünf Jahren in Gang gekommen ist, meinen eigenen Rassismus zu hinterfragen, und ›critical whiteness‹ als Denkansatz und Lernmöglichkeit zu sehen. Ich habe immer schon Filme gemacht, die sich um Ausgrenzung gedreht haben, um Rassismus, Homophobie, um Marginalisierung, und Gleichberechtigung. Diese Themen haben mich immer beschäftigt, und ich selbst habe mich lange für antirassistisch gehalten, beispielsweise indem ich in Geschäften versucht habe, in der jeweiligen Landessprache zu grüßen und sehr stolz auf meine kosmopolitische Art war, bis ich mir irgendwann auf die Schliche gekommen bin und kapiert habe, dass ich mit meiner vermeintlich zugewandten Art permanent ausgegrenzt habe. Ich versuche dazu zu lernen und empfinde die Empörung von manchen, dass diese Art von neuer Fragestellung, neuem Bewusstsein und Aufmerksamkeit übertrieben sei und zu weit gehe, als rückwärtsgewandt und aggressiv. Ich kann doch nicht bestimmen, was verletzt und was nicht, sondern sollte mich schon fragen, wie weit ich latent Mikroaggressionen und Rassismen von mir gebe. Also genau das, was in unserem Film manche Figuren ständig machen, die sich selbst aber für total tolerant halten. Die Regeln für unser Zusammenleben müssen von allen zusammen neu verhandelt werden, und das wollten wir in unserem kleinen Mikrokosmos, dem Freibad, möglichst komisch erzählen. Keine macht hier alles richtig, sie giften und streiten miteinander, prügeln sich sogar auch,– aber immerhin sie sind miteinander im Kontakt. Niemand hat hier zu 100 Prozent die Wahrheit gepachtet.

Man spürt oft die Hilflosigkeit, die sich hinter flotten Sprüchen und markigen Zuweisungen verbirgt. Nehmen wir das ungleiche Freundinnenpaar Eva und Gabi (wunderbar gespielt von Andrea Sawatzki und Maria Happel), die kommentieren oft böse, spitz, empört das Geschehen um sie herum, und doch spürt man ihr Gefangensein in den eigenen Ängsten. Angst vor dem Alter, Angst vor Unsichtbarkeit, Angst nicht mehr sexy zu sein, Angst vor Einsamkeit. Beobachten Sie diese Altersangst bei vielen Frauen?

Doris Dörrie: Ja klar, sie bezieht sich sehr stark auf den Körper und die Ausgrenzung allein durchs Alter, wofür man doch gar nichts kann. Vor Ausgrenzung und Einsamkeit fürchtet sich hier nicht nur Eva, die eine emanzipierte Frau ist, Feministin, allein lebt, aber natürlich doch auch irgendwo dazugehören möchte. Das ist für uns alle, und für jede Figur hier im Film die Frage – wo und wie kann ich dazugehören? Nirgendwo dazuzugehören, produziert Ängste. Umzudenken, aufeinander zuzugehen, anstatt sich voneinander zu isolieren, ist mühsam. Erfordert Mut. Um da einen neuen gemeinsamen Nenner zu finden, muss man bereit sein, sich zu öffnen, zu reden, zu streiten, auszutarieren, was für alle akzeptabel ist. Es geht hier auch sehr stark um Freundschaft und die Sehnsucht nach Liebe.

Der Film erzählt auch von Selbstbestimmung und greift damit die Ihnen wichtige Frage auf, was ist der weibliche Körper und wer darf über ihn bestimmen?

Doris Dörrie: Ja, wer hätte gedacht, dass wir heute weltweit über solche Fragen wieder diskutieren müssen, z.B. über Abtreibungsgesetze. Und über die Frage, wie nackt oder wie verhüllt der weibliche Körper denn bitte sein soll. In der Schweiz gibt es das Burkaverbot, in Frankreich will Marine Le Pen den Frauen das Kopftuch verbieten, in Afghanistan gibt es wieder das Burkagebot, usw., usw. Bei älteren Feministinnen wie Eva gibt es die Überzeugung, dass der Hijab immer ein Zeichen von männlicher Unterdrückung ist, während er der türkischen Familie zu ›arabisch‹ ist, und die Araberin sich auf ihn reduziert fühlt. Dabei ist doch die einzig wichtige und richtige Frage, ob nicht jede Frau selbst bestimmen sollte, wie sie sich kleidet, was sie sich auf den Kopf setzt, und wie sie mit ihrem Körper umgeht. Und wann sie und ob sie eine Frau ist, oder ob auch das eine Zuschreibung von anderen ist.

© Constantin Film Verleih / Mathias Bothor

Viele schwierige Themen, die Sie mit leichter Hand in diesem Film untergebracht haben was glauben Sie, wieviel Gefahr, missverstanden zu werden, lauert in all dem?

Doris Dörrie: Ach, das werden vielleicht manche missverstehen, weil sie es missverstehen wollen. Aber der Film darf auch ruhig Fragen aufwerfen. Mein Plädoyer lautet, nicht einfach anzunehmen, zu bewerten, ein Urteil zu haben, sondern genauer hinzuschauen, nachzufragen, sich selbst zu fragen – und dann wird es natürlich schnell kompliziert. Aber genau das war hier unser Ziel: die Kompliziertheit auszuhalten, zu recherchieren, nachzuhaken, zu diskutieren. Dafür muss man sich öffnen. Kompliziertheit ist das Wesen von Vielfalt. Vielfalt ist immer kompliziert, oft anstrengend – aber sie macht mehr Spaß und ist das Gegenteil von Dogmatismus.

Wie kann man denn die Menschen, die Gesellschaft, überzeugen, mitzugehen, sich der Vielfalt zu öffnen, und nicht zu erstarren, um jegliche Veränderung zu blockieren?

Doris Dörrie: Es gibt bei manchen die Angst, dass etwas verloren geht, aber was wird denn wirklich eingebüßt und was ist nur Projektion? Was wird mir denn wirklich weggenommen? Das sind zumeist reine Vorstellungen, die keine Realität haben.

Wie wichtig ist es Ihnen, dass man lernt, ehrlich mit sich selbst zu sein?

Ich versuche mich zu fragen, wie sehr ich nach erlernten Vorurteilen agiere, wo ich meiner eigenen Doppelmoral aufsitze, wie sehr ich hadere, z.B. mit meinem eigenen Körper, wenn ich andere Körper ständig abwerten muss usw. Vielleicht bin ich selbst fremdbestimmt, wenn ich das anderen unterstelle. Das sind sehr menschliche Ängste, die abgewehrt werden durch ständige Bewertung und Abwertung, durch Hass, Rassismen und Ressentiments. Sehr oft ist es nur die Angst, verlassen zu werden, einsam zu sein.

Lachen, Humor ist sicher der beste Weg, um sich selbst auf die Schliche zu kommen…

Humor bedeutet, ein Fenster aufzumachen und Luft reinzulassen. Wir kommen nicht weiter, wenn wir uns ständig nur belehren und Recht haben wollen. Das führt zu Verhärtung und Dogmatisierung, und das kann nicht das Ziel sein, denn das führt zu immer weiteren Verletzungen. Deshalb ist es mir so wichtig, mit Humor Luft in diese Diskussionen zu blasen. Und über allem steht doch die Frage, müssen wir dieses Bad – also dieses Deutschland, nicht langsam mal neu verhandeln? Die gesellschaftliche Realität ist doch schon lange die der Vielfalt.

© Constantin Film Verleih / Mathias Bothor

Beim Anschauen habe ich oft an Ihre letzten drei Bücher denken müssen, die auch davon geprägt sind, sich selbst genau zu beobachten und sich zu reflektieren, sich zu erwischen bei vorgeformten Meinungen und kulturellen Überheblichkeiten um daraus zu lernen.

Doris Dörrie: Zu lernen macht mir Spaß. Vieles ist auch unbewusst erlernt, wie mein Denken, meine Moral, meine Wertvorstellungen, mein Handeln, die geprägt sind durch Elternhaus, Gesellschaft, Bildung, Umgebung etc., – aber dann kann ich sie ja auch wieder verlernen, etwas Neues lernen. Ich kann immer wieder die Frage stellen: ist das wirklich so? Oder ist es vielleicht ganz anders?

Eines Ihrer Markenzeichen, so würde ich es mal nennen, ist die Fähigkeit, in einer vordergründig lustigen Komödie schwerwiegende, wichtige Themen zu platzieren. Das Prinzip von Erzählern wie Arthur Schnitzler oder Hugo von Hofmannsthal, nämlich das Tiefe unter der Oberfläche zu verstecken, findet sich auch in Ihren Filmen. Geschieht das intuitiv oder bewusst?

Doris Dörrie: Ich mag keine didaktischen Filme. Ich möchte im Kino unterhalten werden, über den Kopf oder das Herz, oder am besten über beides. Die Themen, die mich beschäftigen, möchte ich natürlich erzählen, aber eben nicht als Thesenkino. Selbst bei Männer gab es für mich ein politisches Thema: die schleichende Korruption der Hippies durch den Kapitalismus. Und das habe ich versucht, so komisch wie möglich zu erzählen. Bei Freibad, war es Antrieb und eine große Lust, so viele verschiedene virulente Themen komisch zu verpacken.

Das ist Ihnen mit Sicherheit gelungen! Man sollte am besten ein paar Mal ins Kino gehen, um alle Feinheiten mitzubekommen. Denn selbst die Musik im Film erzählt Vielschichtiges. Welche Reaktionen auf Ihren Film würden Sie am meisten freuen?

Doris Dörrie: Mich würde sehr freuen, wenn die Leute im Kino lachen, es gibt nichts Schöneres, als zusammen zu lachen! Und auch wenn es vielleicht hochhergeht in der Diskussion darüber, fände ich das prima. Und wenn es dann noch ein bisschen mehr Neugier auf den und die andere anzündet, wäre ich sehr froh.

 

Das Interview mit Doris Dörrie führte Bernadette Schoog. Mit freundlicher Genehmigung von Constantin Film.

 

Nun möchten wir von Ihnen wissen, wie das letzte Buch von Doris Dörrie heißt. Na, wissen Sie es?

Hinterlassen Sie Ihre Antwort bis zum 10.9.2022.
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