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Musik der 80er –
ein Soundtrack zu ›California Girl‹ von Tamar Halpern

Timey ist vierzehn und seit der Trennung ihrer Eltern dazu gezwungen, mit dem Flieger zwischen Berkley und L. A. hin- und herzupendeln. Im Kalifornien der 80er-Jahre probiert sie sich aus und versucht mit allen Mitteln, an beiden Heimatorten Anschluss zu finden. Mal ist es ein neuer Kleidungsstil, mal eine neue Frisur, mal sind es die ersten künstlichen Nägel. Was bleibt, ist Timeys Leidenschaft für Musik. Bandnamen, Alben und Songs ziehen sich wie ein roter Faden durch Tamar Halperns Debütroman California Girl und lassen uns im Sound der 80er schwelgen. Musikalische Ausflüge in die 60er und 70er sind auch dabei.

Tamar Halpern hat in alten Fotoalben gestöbert und zeigt: Wie Timey ist auch sie ein echtes ›California Girl‹ der 80er-Jahre.

Foto: © Tamar Halpern

Purple Haze

»Kyle T und Sean K sind in einer Zahnarztpraxis eingebrochen und haben eine mannsgroße Lachgasflasche mitgehen lassen. Sie haben die Flasche in Sean Ks Keller aufgestellt, und wir wurden in kleinen Gruppen eingeladen, das Lachgas durch einen Gartenschlauch zu inhalieren. Wie in Stonehenge saßen wir im Kreis um die große grüne Flasche, und der Schlauch wurde feierlich von einem zum anderen gereicht. Kyle T legte in voller Lautstärke Jimi Hendrix auf, die einzige Musik, die sich zu hören lohnte, während wir unseren kurzen Rausch feierten. Als ich den Schlauch hatte, sah ich an den Jalousien Mini-Regenbögen tanzen und spürte, wie mein knochiger Hintern vom Boden abhob, dann kam der Nächste dran, und mein Rausch war wieder vorbei. Jeder machte einen kurzen Trip auf seine eigene kleine Insel in den Wolken, hob ab und landete wieder. Kyle T war Master of Ceremonies, der den Schlauch von einem zum anderen reichte und das Ventil auf- und zudrehte, während er unfassbar fucking laut bei Purple Haze mitsang.«

(Auszug S. 104f.)

Run to the Hills

»Im März kommt Run to the Hills von Iron Maiden heraus, und aus heiterem Himmel wird das Busing-Gesetz gekippt. Alle rennen zurück auf die Frost, bis auf mich, Lainie und noch zehn andere. Die San Fer fühlt sich leer und still an. Die Liebe ist verpufft. Herzen sind gebrochen. Es ist, als hätten wir eine super Party gefeiert, und dann stellt sich heraus, dass die meisten Partygäste es eigentlich scheiße fanden.«

(Auszug S. 127)

Made For Loving You

»In meiner persönlichen Plattensammlung habe ich im Moment neunundvierzig Alben. Alles von Led Zeppelin und Pink Floyd, weil: beste Bands der Welt. Ein paar von Black Sabbath. Natürlich. Eine Kiss-Platte, die mir jemand geschenkt hat, aber Made For Loving You finde ich nur geht so. Die Kiss-Platte sieht nagelneu im Vergleich zu den anderen aus. Ich schätze, die Freundin, von der ich sie habe, hat sie auch nicht oft gehört. Crosby, Stills, Nash und Youngs Déjà Vu habe ich von meiner Mutter geklaut. Die Platte ist grandios, und Mom hat nicht mal gemerkt, dass sie fehlt, weil sie im Moment nur noch Reggae, Ska und Calypso hört, worüber sich meine Freunde ständig lustig machen.«

(Auszug S. 156)

Foto: © Tamar Halpern

Inglan Is A Bitch

»Sie halten Jimmy Cliff und Linton Kwesi Johnson für ›komische schwarze Musik‹, aber alle stehen auf Michael Jackson, und sogar die, die Stuss reden wie: ›Schwarze können ruhig in Granada Hills leben, solange sie südlich der Rinaldi bleiben‹, sind dermaßen in Whitney Houston verknallt, dass sie krank vor Liebe sind. So ist es im Valley. Die Leute haben seltsame Vorurteile gegenüber Schwulen und Schwarzen. In Berkeley spielt so was keine Rolle. Das Mantra lautet: Lass die Freak-Flagge fliegen. Ich muss sagen, ich finde Linton Kwesi Johnson auch ziemlich gut, nicht nur, weil Mom ihn ständig hört. Seine Stimme ist wie Samt auf einem gebutterten Toast. Inglan is a bitch, singt er. There’s no gettin’ way from it. Er sagt ›Inglan‹ statt ›England‹, weil er Brite und Jamaikaner ist. Für mich ist das die Definition von sexy.«

(Auszug S. 156f.)

Don't Stop Believin'

»Es fühlt sich nicht falsch an, aber es fühlt sich auch nicht richtig an. Es tut ein bisschen weh, aber das ist mir egal, weil wir es tun. Das ist der Gedanke in meinem Kopf. Wir tun es. Wir tun es. Endlich tun wir es. Er sieht zu mir hinunter, und sein Haar fällt ihm in die Augen. Er lächelt und drückt die Zunge in die Lücke unter seinen Zähnen.

Don't stop believin'
Hold on to that fee-len-ee-en
Streetlights-ah people
Woah oh OHHHHH

Noch ein Stoß, und der Song ist vorbei. 
Craig zündet eine Zigarette an und reicht sie mir. ›Das ist der beste Song‹, sagt er.«

(Auszug S. 180f.)

Paint It Black & Ruby Tuesday

»Micah, ich, ein Typ namens Ben und ein Mädchen namens Perla legen Platten auf und rauchen bei Micah im Wohnzimmer Gras. Die Wohnung ist klein, und ich sitze auf dem Boden. Es riecht nach Fisch. ›Meine kambodschanischen Nachbarn‹, sagt Micah. Die Stones singen Paint It Black. Während die anderen reden und die Pfeife herumgeht, denke ich an die fünfte Klasse, als ein paar ältere Mädchen kurzfristig Ersatz für eine Talentshow suchten. Ich sagte: ›Ich kann tanzen‹, und sie sahen mich an, als hätten sie mich bis dahin überhaupt nicht bemerkt. Nach zwei Proben hatten wir einen Tanz zu Ruby Tuesday drauf. Mom nahm sich sogar frei, um die Vorstellung zu besuchen. Nach der Show, als die anderen Eltern ihre Kinder lobten, umarmten und ihnen Blumen schenkten, sagte Mom zu mir, ich sei die ganze Zeit einen Schlag hinterher gewesen. Was für mich eine Überraschung war. Die Stones erinnern mich immer an mein Leben vor L. A., oder vielleicht ist es auch nur der wattige, süße Berkeley-Nebel.«

(Auszug S. 225f.)

Ramble On

»Dave C zieht mich in sein Zimmer, das früher das Zimmer von jemand anderem war. Die Wände sind schmutzig, und die Waschkommode mit den dazu passenden Einzelbetten erinnert an Lassie aus den Fünfzigern. Er dreht Led Zeppelin auf, und wir singen spontan so laut wir können:
Ramble on! Now’s the time, the time is now!
Gonna sing my song!

Seit die Zwillinge weg sind, ist Dave C so was wie mein bester Freund. Ich sehe zu, wie er Luftgitarre mit Jimmy Page spielt. Jeder, den ich kenne, spielt Luftgitarre, aber wenn Dave C Luftgitarre spielt, ist es mit Absicht lustig und nicht aus Versehen.«

(Auszug S. 235)

California Girl
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California Girl

Aus dem amerikanischen Englisch von Sophie Zeitz

Kalifornien in den 80er-Jahren. Das bedeutet Freiheit, Sex und Rebellion. Mittendrin ein vierzehnjähriges Mädchen, das zwischen ihrer Hippie-Künstlerin-Mutter in L. A. und dem Professoren-Vater in Berkeley hin- und herpendelt. Schmerzhaft wird sie sich der Lügen und Exzesse der Erwachsenen bewusst und antwortet darauf, wie es nur ein Teenager kann. Auf der Suche danach, wo sie hingehört und wer sie werden wird, probiert sie Outfits, Identitäten und Drogen und rast mit uns durch ein Leben zwischen erster Liebe und absoluter Verunsicherung.


Tamar Halpern ist Filmemacherin und Autorin. Sie hat Rundfunkjournalismus und Filmproduktion studiert; ihre Dokumentarfilme sind preisgekrönt. Halpern lehrt Regie und Drehbuch und ist Gründerin des Start-ups CitySearch. Sie lebt in Los Angeles.

© by Diogenes Verlag AG Zürich