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»Es ist die Zeit des Aufbruchs und fürs Neue, alles fühlt sich anders an.«
Ein Interview mit Arno Camenisch

Es ist soweit! Das Diogenes-Herbstprogramm feierte in diesen Tagen seinen Auftakt, ganz vorne mit dabei unter anderem ein neuer Autor: Arno Camenisch. Neu bei Diogenes, aber als Autor etabliert. In seinem ersten Roman bei Diogenes Die Welt verwebt der bekannte Schweizer Autor kunstvoll und poetisch eigene Reisen, Lieben und Lebensphasen – und erzählt doch von uns allen. 

Im Diogenes-Interview zitiert er Grönemeyer, verrät uns mehr über den Mut zum Neubeginn und darüber, wie er sich in Brüssel auf dem Weg zum Bäcker machte und in Paris landete.

Foto: © Janosch Abel

Gab es einen konkreten Auslöser für diesen Roman? Eine Art Fernweh oder Rückblende in Corona-Zeiten?

Arno Camenisch: Nachdem wir während zwei Jahren eingeschränkt waren, kommt alles wieder in Bewegung, es ist die Zeit des Aufbruchs und fürs Neue, alles fühlt sich anders an, und das erinnert mich an die Zeit, als ich in meinen Zwanzigern war, aus allem ausbrach und über die Kontinente zog. Für viele Leute ist diese Zeit, wenn sie in ihren Zwanzigern sind, eine sehr prägende und lebendige Zeit im Leben. Man hat zwar nicht viel, ist aber hungrig. Im Roman Die Welt bespiele ich diese Zeit, und dabei interessiert mich stets der große Bogen, deshalb setze ich meine Erfahrungen in Kontext zu den großen Entwicklungen jener Zeit. Die Nullerjahre, in denen der Roman spielt, waren geprägt von Veränderungen.

Würden Sie sagen, es ist nun Ihr persönlichstes Buch? Und hatten Sie beim Schreiben Erkenntnisse im Nachhinein über sich oder für Ihre Zukunft?

Arno Camenisch: Ja, sicher, es ist ein sehr persönliches Buch, und wenn ich an die Zeit denke, als ich in meinen Zwanzigern war, war das eine sehr aufregende Zeit! Das Ausbrechen und Losziehen war essenziell, und das entsprach auch meinem Naturell. Diese Zeit in den Zwanzigern war eine unerschrockene und unbeschwerte Zeit, später vielleicht wird man überlegter, vielleicht auch besonnener, aber in jenen Jahren ging es immer auf tutti. Und ich habe mich nie davor gefürchtet, neue Wege zu gehen. Das habe ich aus jener Zeit in die jetzige rübergerettet (lacht).

Wie unterscheidet sich das Reisen heute von Ihrem Unterwegssein damals in Ihren 20ern?

Arno Camenisch: Es ist weniger das Reisen an sich, das mich interessiert, sondern vielmehr das Neue, das mich hellhörig macht. In Die Welt geht es um den Neubeginn, und der Gedanke an das Unbekannte und Neue war für mich immer das Aufregendste. Und das ist auch heute noch so. Und natürlich, ist man unterwegs, trifft man viele Leute, sieht neue Orte, hört neue Sprachen. Ich liebe es nach wie vor, einfach loszuziehen, so wie eines Morgens in Brüssel, wo ich mal einen Monat verbrachte, und ich zum Bäcker wollte und in Paris landete.

Hilft das Reisen auch, den Blick stets offen zu halten, Erlebnisse als Stoff für Bücher zu sammeln?

Arno Camenisch: Das Leben, die Liebe und der Tod, die Veränderung und der Wandel, das sind zentrale Themen in meinem Schaffen. Ich bin sehr affin für die steten Veränderungen, im Kleinen wie im Großen, ich nehme sie wahr. Und im Zentrum meines Schreibens steht immer der Mensch mit seinen Freuden und Sorgen, seinen Wünschen und Ängsten und mit seinen Sehnsüchten und Hoffnungen. Es sind stets diese zeitlosen Fragen, die mich interessieren.

Sind Sie jetzt gesettelt in der Schweiz angekommen, das größte Fernweh ist gestillt auch durch die ganzen Lesereisen, oder reizt es Sie nach wie vor, neue Welten für längere Zeit auszuprobieren?

Arno Camenisch: Diese Lust auf das Leben und das Neue, die versiegt hoffentlich nie! Im Leben geht es darum, vorwärts zu gehen. Das ist das Leben – die Veränderung. Nichts Schlimmeres, als wenn alles gleich bleibt, oder wie es Grönemeyer so schön singt, Stillstand ist der Tod.

Sind Sie ein Optimist, der daran glaubt, dass es immer gut kommt, der der inneren Stimme jeweils genau zuhört?

Arno Camenisch: Ob ich ein Optimist bin, weiß ich nicht so genau, ich bin jedenfalls ein positiver Mensch. Und ich vertraue auf die innere Stimme. Daran glaube ich. Natürlich gibt es die Momente des Zweifels und der Unsicherheit, aber auf die innere Stimme, auf die gebe ich viel.

Was würden Sie Menschen raten, die schon lang von einer Auszeit oder einer Veränderung träumen, sich aber nicht recht trauen? Möchten Sie Ihren Leser:innen mit Die Welt auch Mut machen, stets im Leben einen Neubeginn zu wagen?

Arno Camenisch: Einfach machen, nicht zu viel überlegen. Was soll denn schon schiefgehen? Eigentlich ist es doch ganz einfach, es ist immer die Angst, die uns bremst, die Angst davor, was sein könnte. Die hindert uns daran, neue Wege zu gehen. Ich bin da pragmatisch. Natürlich, es gibt auch die Leute, die zufrieden sind, wenn sie das gleiche Leben wie ihre Eltern führen, auch das ist legitim. Für mich wäre das aber nichts. Seinen eigenen Weg gehen, das braucht ein bisschen Mut, aber den bereut man nie.


Die Fragen stellte Kerstin Beaujean, Juni 2022 © by Diogenes Verlag AG Zürich

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