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»Wer mutig ist, glaubt an sich und gibt sich selbst einen Vertrauensvorschuss.« Ein Interview mit Elena Fischer

Und ihr Mut wird belohnt, denn Elena Fischer ist mit ihrem Debütroman Paradise Garden für den Deutschen Buchpreis 2023 nominiert. 

In ihrem Werk stellt sie sich den großen Fragen: Mütter und Töchter, Verlust und Erinnerung und wer oder was ist Heimat? Auch wir durften ihr ein paar Fragen stellen und erfahren im Interview mehr von der 14-jährige Billie, die in einer Hochhaussiedlung lebt und diese noch nie verlassen hat, von Inspiration, Mut und Wurzeln.

 

Foto: Julia Sellmann/© Diogenes Verlag

Wie kam Ihnen die Idee zum Roman? Was hat Sie zu dieser Geschichte inspiriert?
Elena Fischer: Es waren viele verschiedene Impulse, die ich in diesem Roman miteinander verbunden habe: Zuerst das Gefühl, einen Roman über die Beziehung zwischen einem Vater und einer Tochter schreiben zu müssen, dann wurde daraus der abwesende Vater und Billies Suche nach ihm. Das hat automatisch die Mutter, dann die Großmutter stärker ins Zentrum gerückt. Mich inspirieren vor allem Gefühle, Stimmungen und Orte. Daraus erwächst die Handlung.

War es von Anfang an klar, dass es ein Roman mit jugendlicher Protagonistin sein soll? Und wie war es für Sie, sich in die vierzehnjährige Protagonistin Billie hineinzuversetzen?
Elena Fischer: Ja, das war von Anfang an klar, und es hat sich natürlich und leicht angefühlt, mich in Billie hineinzuversetzen. Sie ist mir sehr nah und ans Herz gewachsen. Wir sind ein Stück zusammen gegangen, aber dann kommt irgendwann auch der Zeitpunkt des Loslassens.  

Welche Bedeutung hat die Mutter-Tochter-Beziehung im Roman (die von Billie zu ihrer Mutter, aber auch die von Marika zu ihrer Mutter, also Billies Großmutter)?
Elena Fischer: Die Mutter-Tochter-Beziehungen sind wesentlich für den Roman. Mutter zu sein ist schön und verdammt anstrengend – auch dann, wenn man einen Partner oder eine Partnerin an der Seite hat, der oder die einen großen Teil der Verantwortung übernimmt. Die Großmutter und die Mutter in meinem Roman haben das nicht – aus unterschiedlichen Gründen. Sie sind allein. Wessen Bedürfnis hat wann Vorrang? Marika muss Entscheidungen treffen. Sie muss darum kämpfen, sich selbst nicht zu verlieren. Ich fand dabei die Perspektive von Billie spannend, weil sie in diesem zauberhaften, schmerzlichen Zwischenstadium ist: kein Kind mehr, aber auch noch keine Erwachsene. Sie sucht noch ihren Platz in der Welt. Kann ihre Mutter, ihre engste Bezugsperson, ein Vorbild für sie sein? Durch Billies Augen können wir etwas Essenzielles wahrnehmen: In der Regel lieben Kinder ihre Eltern. Es muss Einiges passieren, dass sie das nicht mehr tun. Ich glaube, dass sich aus dieser Liebe eine Verantwortung ergibt, die auch Marika spürt: Traumata nicht an die nächste Generation weiterzugeben. Und ich glaube, eine Voraussetzung dafür ist, die eigenen Grenzen zu erkennen und sie auf gesunde Art und Weise zu wahren. Marika macht das sicherlich besser als ihre eigene Mutter, aber natürlich ist sie weit davon entfernt, perfekt zu sein. Niemand ist perfekt.

Welche Bezeichnung trifft Ihrer Meinung nach am ehesten auf Ihren Roman zu: Roadnovel, Vater-Suche-Roman, Mutter-Tochter-Roman, Emanzipationsgeschichte?
Elena Fischer: Als mir klar wurde, dass es auch um eine Suche geht, wusste ich, dass ein Roadtrip ein Bestandteil des Romans sein würde, aber das macht den Roman nicht zur Roadnovel. Billie würde sagen: »Das ist natürlich ein Mutter-Tochter-Vater-Suche-Roman!« Und natürlich ist es auch eine Entwicklungsgeschichte.

Der Roman erzählt auch die Geschichte von Arm und Reich. Billies Welt sind ihre Mutter, die zwei Jobs, aber nie genug Geld hat, und eine marode Hochhaussiedlung mit ihren abgehängten, aber großherzigen Bewohner:innen. Zu Billies Welt gehört aber auch Lea, ihre beste Schulfreundin, die mit ihren Eltern in einer Villa samt Pool wohnt. Wie war es für Sie, beim Schreiben diese beiden Welten auszuloten?
Elena Fischer: Es war schmerzhaft, zu zeigen, wie Billie und ihre Mutter leben, auch weil sie die Erfahrung von Klassismus machen. Für Billie ist vieles nicht möglich, was für Lea selbstverständlich ist, dabei wohnen die beiden keine fünf Kilometer voneinander entfernt. Gleichzeitig war es schön zu sehen, wie Marika und Billie es dennoch schaffen, diesem Leben hin und wieder Zauber zu verleihen. Was macht ein Leben letztlich zu einem guten Leben? Ich habe mir beim Schreiben oft diese Frage gestellt, aber ich glaube, es wäre anmaßend, das für jemand anderen beantworten zu wollen. 


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