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Bücher brauchen Herkunft

Der Romanautor Christoph Poschenrieder liebt Buchhandlungen aus ungewöhnlichen Gründen. Zum Beispiel rieche die Ware dort so frisch, besser als in Leihbüchereien mit ihrer »Melange an Hausgerüchen«.

Foto: © Daniela Agostini / Diogenes Verlag

Ich bin gar nicht so sicher, dass ich gern in Buchhandlungen gehe. Da gibt es so viele Bücher. Früher freute mich das, aber heute, wo ich selber zu den Büchermassen beitrage … Gerade in den ganz großen Buchhandlungen gibt es mir ein beklemmendes Gefühl. Als redeten unzählige Stimmen auf mich ein, gleichzeitig – wie soll einer die interessanten heraushören? Da mag ich dann auch gar nicht bummeln und blättern. Ich schau noch schnell, ob meine Bücher da sind – und weg. 

Und doch: Ich liebe Buchhandlungen! Das fängt schon mit dem Geruch an. Frisches Papier riecht einfach gut. Wenn man mich mit verbundenen Augen in eine Buchhandlung stellen würde: Ich würde es merken. Glaube ich. In einer Leihbücherei riecht es anders. Da haben die Bücher allesamt schon eine seltsame Melange an Hausgerüchen angenommen. Man findet ja auch gelegentlich Essensreste zwischen den Seiten. Ich habe einmal eine dünn geschnittene Scheibe Salami, offensichtlich ein Lesezeichen, aus einem Roman gezogen. Buchgetrocknet.

Wenn ich mit verbundenen Augen in meiner Lieblingsbuchhandlung stünde, wäre da noch ein anderer Geruch: der von frischem Kaffee. Der Laden heißt nämlich Buch & Bohne. Man bekommt dort einen Espresso zum Preis von einem Euro. Das dürfte für München einzigartig sein, jedenfalls für einen guten. Die Bücher kosten natürlich genauso viel wie anderswo. München hat viele Buchhandlungen, große, kleine, alteingesessene, neue, schicke – und weniger schicke. Wäre also egal, wo man seine Bücher kauft (Hauptsache nicht beim großen, bösen A).

»Wer hinter der Theke steht, das ist wichtig.«

Aber nicht doch. Genauso wie Bücher eine Destination, nämlich einen Platz im Regal, brauchen, so brauchen sie eine Herkunft, derer man sich erinnert. Früher haben manche Buchhändler sogar ein kleines Etikett in ihre Bücher geklebt, ich glaube mich an so etwas zu erinnern. Nach dem Verlagsimpressum ein Ur-Exlibris sozusagen. So also gehe ich aus, ein Buch heimzuholen, vorbestellt oder spontan. Es ist ein intuitiver Weg; schon deswegen, weil ich ihn anfangs oft mit meinem Hund gemacht habe. Am Schlachthof vorbei, am dtv-Verlag vorbei, das Arbeitsamt rechts liegen lassen. Der Hund hat dann bei Buch & Bohne einen Keks aus der Random-House-Keksdose erhalten. Buch & Bohne war sicherlich auch seine Lieblingsbuchhandlung.

Foto: © Susanne Brandl

Anders als ihm ist es mir aber nicht egal, von wem ich meine Kekse, respektive Bücher bekomme. Mariann Geier schmeißt den Laden. Sie hat, glaube ich, früher einmal im Controlling gearbeitet. Der Buchladen ist ihr Traum; er ist klein, aber sorgfältig sortiert, alles ist beweglich, und so ist es möglich, Lesungen und Events auch auf der kleinen Fläche zu haben; und es gibt viele Veranstaltungen. Er ist strategisch gut platziert, in respektvollem Abstand zu anderen Buchhandlungen, und er füllt die Lücke dazwischen und im Viertel, das vorher keine Buchhandlung hatte, dafür eine Menge Metzgereien und Messerschleifer. 

Wir plaudern über alles Mögliche, nicht nur über Bücher und Autoren. Als Buchhändlerin meines Vertrauens darf sie meine neuen Werke schon früh lesen, denn ihr Urteil interessiert mich. Klar verkaufen Buchhändlerinnen auch Bücher, die sie nicht mögen. Aber Bücher, die sie nicht mögen und die sich nicht von allein verkaufen, sind verloren. Also, um’s kurz zu machen: Auf die Lieblingsbuchhandlung kommt es auch nicht an. Wer hinter der Theke steht, das ist wichtig.

 

Erstmals erschienen im Börsenblatt am 8.10.2015.

 

Christoph Poschenrieder lebt als Schriftsteller in München. Zuletzt erschienen ist sein Roman Mauersegler. Auch als E-Book.

Buchhandlung Buch & Bohne, Kapuzinerplatz 4, D-80337 München.