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»Die erste der ›London Rules‹ lautet: Rette deinen Arsch.«
Ein Interview mit Mick Herron - Teil 1

Das Setting: London. Die Dialoge: messerscharf. Der Humor: very british. Endlich erscheint London Rules, der fünfte Fall für Jackson Lamb und die Abservierten aus dem MI5. Ein Roman über die ungeschriebenen Gesetze, die in London gelten und der erste Band der Reihe, in dem der Brexit thematisiert wird. Im Diogenes Interview spricht Autor Mick Herron über die Aktualität dieses Romans, Boris Johnsons Rücktritt und die vage Hoffnung auf einen Neuanfang.

Foto: © Alberto Venzago

Welche sind die London Rules?

Mick Herron: Sie sind einfach formuliert. Die Moskauer Regel bedeutet: »Pass auf deinen Rücken auf.« Die London Rule Nr. 1 dagegen lautet: »Rette deinen Arsch.« Es geht darum, Fehler zu vertuschen und dafür zu sorgen, dass man nie für etwas verantwortlich gemacht wird, vor allem dann nicht, wenn man selbst schuld ist. Ich habe sie im Jahr 2016 erfunden. Aber im Jahr 2022 scheinen sie immer noch sehr aktuell zu sein.

London Rules ist 2018 in Großbritannien erschienen, und Sie haben den Roman in einem früheren Interview als »Brexit-Roman« bezeichnet. Inwiefern?

Mick Herron: Er wurde nach dem Referendum geschrieben, als alle – »Brexiteers« und »Remainer« gleichermaßen – in einer Art Schockzustand waren. Das ist der Grund, warum dieser Roman, mehr als alle anderen, eine Farce in seinem Zentrum hat. 

»Unwahrscheinlich ist das neue Normal«, heißt es an einer Stelle über Politik im Roman. Spielen Sie damit auch auf den Brexit an?

Mick Herron: Oh ja. Die Politik war in jenem Jahr besonders aufgewühlt, und seitdem ist nichts mehr so, wie es war. Der Brexit war eine schlechte Idee. Wir haben noch nicht alle erkannt, wie schlecht, aber viele kleine Unternehmen – und alle britischen Konsumenten – spüren den Schaden bereits.

Macht es Ihnen Spaß, sich immer wieder neue politische Intrigen auszudenken? Oder ist es inzwischen eher deprimierend, da Sie andauernd von der Realität eingeholt werden?

Mick Herron: Ich genieße diesen Aspekt des Schreibens, obwohl ich weniger politische Intrigen erfinden muss, sondern sie lediglich kommentiere. Dadurch bin ich oft zwiegespalten. Als Bürger bedaure ich den Schmutz, die Korruption und die Unehrlichkeit der gegenwärtigen britischen Regierung (die, während ich dies schreibe, am Zerfallen ist). Als Autor jedoch reibe ich mir die Hände und bin dankbar für das Material, das sie mir zur Verfügung stellt.

Boris Johnson hat seinen Rücktritt angekündigt. Erhoffen Sie sich nun einen politischen Neuanfang für Großbritannien?
Mick Herron: Der längst überfällige Abgang von Boris Johnson kann nur gut sein. Seine Amtszeit als Premierminister war eine Beleidigung für jeden, der von unserer Politik Ehrlichkeit, Integrität, Transparenz oder Verantwortlichkeit erwartet. Abgesehen davon scheint niemand der möglichen Kandidatinnen und Kandidaten eine große Verbesserung zu sein. Ich hoffe auf einen Neubeginn, aber ich schätze, dass sich vorerst einfach nicht viel ändern wird.

Bild von Adam Derewecki auf Pixabay

Die Dialoge im Roman sind wieder einmal messerscharf. Woher nehmen Sie die Ideen dafür?

Mick Herron: London Rules war der fünfte Roman der Reihe, und als ich ihn schrieb, waren die verschiedenen Stimmen der Figuren in meinem Kopf schon ziemlich klar. Beim Schreiben der Dialoge ging und geht es vor allem darum, diesen Stimmen zu erlauben, sich so frei wie möglich auszudrücken. Ich versuche jeder Figur das gleiche Gewicht zu geben. Sie sind alle gleichermaßen wichtig für mich.

Im Roman sprengen Terroristen ein Pinguingehege in London in die Luft. Woher kommen Ihnen solche Einfälle?

Mick Herron: Ich wünschte, ich wüsste es! Ich bin ein großer Fan von Pinguinen und will ihnen wirklich nichts Böses. Aber manchmal erfordern Bücher grausame Geschehnisse ... Die Grundidee war, zunächst den Eindruck zu erwecken, dass die Opfer des Bombenanschlags Menschen seien. Die Erkenntnis, dass dies nicht der Fall war, sollte eine Erleichterung sein. Aber natürlich bleibt es ein entsetzliches Ereignis.

Die Fragen stellte Stephanie Uhlig, Juli 2022 © by Diogenes Verlag AG Zürich

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Ein Fall für Jackson Lamb

Mick Herron, geboren 1963 in Newcastle-upon-Tyne, studierte Englische Literatur in Oxford, wo er auch lebt. Seine in London spielende ›Jackson-Lamb‹-Serie wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem CWA Gold Dagger for Best Crime Novel, dem Steel Dagger for Best Thriller und dem Ellery Queen Readers Award. 

Seit April 2022 läuft die Serie Slow Horses bei Apple TV mit Gary Oldman, Kristin Scott Thomas und Jonathan Pryce. Highlight: Mick Jagger kreierte gemeinsam mit Filmkomponist Daniel Pembertonden Titelsong »Strange Game«. Reinhören lohnt sich!

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