Urlaubsstimmung, idyllische Dörfer, mediterranes Flair – dafür ist Mallorca bekannt. Anna Nicholas ruft in Das Teufelshorn genau diese Atmosphäre hervor, wirft aber gleichzeitig einen Schatten über die beliebte Sonneninsel. Das Ferienparadies wird zum Tatort.
Das Teufelshorn ist der Auftakt einer neuen Mallorca-Krimiserie, der erste Fall für die clevere, selbstbewusste Ermittlerin Isabel Flores. Im Interview erzählt die Autorin, welchen Bezug sie zur Insel hat und warum ein Frettchen die perfekte Begleitung für eine Ermittlerin ist.

© Nicoletta Gavar
Anna Nicholas im Interview
Mallorca wird meist mit sonnigem Strandurlaub, kulinarischem Genuss und ländlicher Idylle assoziiert. In Das Teufelshorn wird die Insel plötzlich zum Tatort. Wie ist es Ihnen gelungen, diese beiden Gegensätze in Ihrem Buch unter einen Hut zu bringen?
Meine Krimis behandeln zwar auch düstere Themen, aber mit Isabel Flores habe ich eine lebensbejahende und positive Protagonistin, die hoffentlich für das richtige Gleichgewicht sorgt. Ich möchte der Leserschaft eine fesselnde, spannende Kriminalgeschichte bieten und gleichzeitig die authentische Schönheit, die Geschichte, Gastronomie und Traditionen der Insel und ihrer Bevölkerung hervorheben. Wo es möglich ist, bringe ich sanften Humor und ein Gefühl von beständiger Gemeinschaft ein. Obwohl meine Bücher zwangsläufig ein gewisses Maß an Pathos enthalten, möchte ich die Geschichten in Sonnenschein tränken und jedes Buch mit einer aufmunternden und hoffnungsvollen Note beenden.
Ursprünglich stammen Sie aus dem Vereinigten Königreich, dann bereisten Sie lange die Welt. Wie kam es dazu, dass Mallorca nicht nur das Zentrum Ihres Buches, sondern auch Ihres derzeitigen Lebens geworden ist?
Als ich zum ersten Mal das goldene Tal von Sóller mit seinen zerklüfteten Bergen und grünen Obstgärten voller Orangen und Zitronen erblickte, kam es mir vor wie ein wahres Paradies und wie eine Heimkehr – ein Gefühl, das ich noch nie zuvor hatte. Dieses Gefühl der Zugehörigkeit kam auch durch die Herzlichkeit, Freundlichkeit und Offenheit der Menschen zustande. Glücklicherweise empfand mein Mann das Gleiche, und so verließen wir vor 23 Jahren unser hektisches Leben in London und zogen mit unserem kleinen Sohn hierher. Das war die beste Entscheidung, die wir je getroffen haben.
Wie sind Sie dann auf die Idee zu der Krimiserie gekommen?
Wir haben mehrere kleine Ferienhaus-Vermietungen in unserem Tal, und mir schwirrte immer wieder die Vorstellung von einer beliebten Immobilienmaklerin durch den Kopf, die ein Doppelleben als Detektivin führt und bei der Aufklärung von Verbrechen auf der Insel hilft. Kaum hatte die Idee mich gepackt, schlief ich nachts mit Gedanken an Figuren und Handlungsstränge ein, die mich wachhielten, sodass ich schließlich das Gefühl hatte, ich müsse sie in die Tat umsetzen.
Mit Isabel Flores haben Sie eine starke weibliche Protagonistin geschaffen. Sie ist klug, selbstbewusst, fröhlich und geht die Dinge gerne auf ihre eigene Art und Weise an. Wer oder was hat Sie dazu inspiriert, diese Hauptfigur zu entwickeln?
Meine mallorquinischen Freundinnen sind sehr widerstandsfähig, positiv, willensstark und dynamisch. Außerdem haben sie einen wunderbaren Sinn für Humor. Aus dieser Sammlung von Charaktereigenschaften entstand also Isabel Flores. Tatsächlich habe ich selbst eine rebellische und eigenwillige Ader, und auch das ist mit in ihre Psyche eingeflossen. Ich liebe Frettchen, und da ein Freund meines Sohnes welche hielt, konnte ich diese liebenswerten und intuitiven Tiere kennenlernen. Sie sind loyal und haben unglaubliche Sinne – welches Haustier könnte besser zu einer Detektivin passen?
In Das Teufelshorn beschreiben Sie detailliert die typisch mallorquinische Lebensweise und liefern Einblicke in die Polizeiarbeit in Spanien. Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen?
Anfangs nutzte ich lokale Kontakte, um mich informell mit Beamten der Guardia Civil und der Policia Nacional sowie der Rettungs- und Feuerwehrdienste zu treffen. Ich verbrachte auch Stunden mit kriminalistischer und forensischer Online-Recherche und möchte gar nicht daran denken, wie mein Google-Verlauf nun wohl aussieht! Das Schöne an der Belletristik ist natürlich, dass man die Regeln biegen und seiner Fantasie freien Lauf lassen kann. Meinen Büchern liegen Recherche und Fakten zugrunde, aber es war nie meine Absicht, akribisch die Verfahrensweise der Polizei zu beschreiben.
Das typische mallorquinische Landleben andererseits ist jetzt meine Art zu leben. Mein Mann und ich halten Hühner, Enten und Pfaue, bauen unser eigenes Gemüse an und haben einen Obstgarten mit Oliven-, Zitronen- und Orangenbäumen. Wie Isabel Flores liebe ich das mallorquinische Essen und die Küche. Wir sind Teil der lokalen und internationalen Gemeinschaft geworden und auch der Feste und Veranstaltungen vor Ort. Der wichtigste Ausdruck, den ich hier gelernt habe, ist »poc a poc«, was so viel bedeutet wie »Schritt für Schritt«, die Dinge langsam angehen und einfach im Moment leben.
Das Teufelshorn
Isabel Flores genießt ihren Cortado in der Bar Castell im malerischen Dorf Sant Martí, als der friedliche Sommertag jäh durch eine Schreckensnachricht verdunkelt wird: Ein kleines Mädchen ist verschwunden, am Strand entführt, und Hauptkommissar Tolo Cabot bittet seine ehemalige Kollegin Isabel um Hilfe. Als Ermittlerin war sie berühmt für ihren scharfen Verstand und ihre beinahe unheimliche Intuition, doch nun beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.
Anna Nicholas, geboren 1961 in Rochester, Kent, studierte Englische Literatur und Altphilologie, bevor sie unter anderem für das Guinnessbuch der Rekorde die Public Relations verantwortete. Nach vielen Jahren auf Reisen lebt sie heute als freie Autorin auf Mallorca.